Assoziatives Layouten

Kognitive Diskrepanzen durch den Einsatz des Computers als Schreibzeug

Eine Untersuchung

von

Helmuth Sagawe

In den letzten Jahren hat der Computer vermehrt unsere alltägliche Lebenswelt erobert. Sein Einsatz ist allgegenwärtig, nicht nur als komfortable Schreibmaschine, sondern auch, durch die Anbindung an Kommunikationsnetze, als Informationsbeschaffer (z.B. im Internet) ist er im wissenschaftlichen und ökonomischen Bereich und sogar im privaten Haushalt nicht mehr wegzudenken. Als selbständig denkende und handelnde Maschine unterstützt er uns bei Entscheidungen oder nimmt uns diese als persönlicher Partner gar ab.[1] Er ist nicht mehr nur ein teleologisch orientiertes Handlungsinstrument, Werk- und Denkzeug[2], oder gar in dieser Fortführung "Geistmaschine"[3], sondern er muß als selbständiger Agent im kommunikativen Handlungsprozeß akzeptiert werden.[4]

Der Mensch paßt sich seinen jeweiligen Kommunikationspartnern an, auch dem Computer. Dies beweisen in der zwischenmenschlichen Kommunikation Babysprachen, Ausländerdeutsch und "Privatsprachen", also besondere idiolektale und soziolektale Ausprägungen, im technischen Bereich durch und mit dem Computer gestaltete Texte, die ihre neueste Kommunikationsform im Gestalten und der Handhabung von Hypertexten gefunden haben. Es scheint einiges darauf hinzudeuten, daß die Befolgung des Kooperationsprinzipes mit dem Computer dazu führt, daß der menschliche Partner die für die zwischenmenschliche Kommunikation typischen Interaktionsmarker, wie phatische, expressive und situative Elemente, im Dialog mit der Maschine zugunsten größerer semantischer Präzision, wie Explizitheit oder gar syntaktischer "Korrektheit", aufgibt. Okkasioneller "Situolekt" oder Ausformung einer neuen Sprachvarietät mit einem Trend zur Verfestigung und Generalisierung, das scheint hier die Frage zu sein. Der Aufbruch in eine neue Ära der schriftlichen Kommunikation verheißt aber nicht nur neue Sprachstrukturen und vielfältige nonverbale Ausdrucksmittel in einer neuen Visualität, die eventuell in der heutigen Zeit die "intellektuelle Durststrecke" unserer Gesellschaft bei einer "wachsenden Minderheit von Modernisierungsverlierern"[5] auszugleichen versucht, sondern auch, daß das altvertraute gedruckte Wort durch die digitale Technologie und das dadurch ermöglichte Zusammenspiel von technischen Elementen wie Telefon, Fax, Fernsehen und Computer, von der "Buchfläche" verschwindet. Hat der vor einem halben Jahrtausend lebende Mainzer Patrizier Henne Gensfleisch zur Laden, bekannt als Johannes Gutenberg, ausgedient? Ist damit wieder einmal ein neues Zeitalter der Menschheitsgeschichte angebrochen? Mußten die Menschen sich in der Vergangenheit wiederholt einen neuen Standort suchen, nachdem sie durch Kopernikus erfuhren, die Erde und damit der Mensch stehe nicht im Mittelpunkt, durch Darwin, daß der Mensch nicht durch einen besonderen Schöpfungsakt geschaffen wurde, sondern nur Endglied eines natürlichen Evolutionsprozesses sei, durch Freud, daß der Mensch nicht völlig Herr seiner selbst, sondern maßgeblich von unbewußten Trieben und Kräften gesteuert wird, so müssen wir heute feststellen, daß der Mensch womöglich nicht mehr alleine die Fähigkeit zur Intelligenz besitze, sondern von den von ihm erschaffenen Maschinen übertroffen werden könnte.

Auch hat die Übermittlung von Information durch neue digitale Techniken eine besondere Qualität erreicht. Wurden vor noch gar nicht langer Zeit Informationen und gesellschaftliche Normen durch Erzählen von Geschichten vermittelt - wie dies heute nur noch in wenigen technisch kaum entwickelten Kulturen zu finden ist - später, mit der Einbindung von Hieroglyphen und alphabetischen Schriftzeichen, die verbale Form und der kognitiv entwickelte Gedanke auf Stein, Haut, Papyrus oder Papier, unter Verwendung von Meißel, Feder, Bleistift unveränderbar "zwischengespeichert", so wird heute der Gedanke als Text zwar semantisch eindeutig, aber visuell variabel gespeichert. Die Qualität eines Textes ist im Vergleich zum handschriftlichen Verfassen, über die Verwendung von Lettern, wie bei der Schreibmaschine inzwischen durch digitales Erfassen von Gedanken eine andere geworden.[6]

Dennoch wird der Computer heute in erster Linie immer noch nur als ein Schreibzeug, wenn auch als eine besondere Schreibmaschine, angesehen. Im Unterschied zur manuellen Schreibmaschine, bei der mit dem Eintippen auch der Text unkorrigierbar manifest wurde, kann nun durch den Einsatz des Computers der Text zwischengespeichert und als formbares Konglomerat aus Buchstaben und Worten korrigiert, formatiert und optisch, wie aus einem elektronischen Setzkasten, am Bildschirm - in der What You See Is What You Get Technik gestaltet werden. Ist nun jeder sein eigener Gutenberg geworden?

Dem Text und seiner semantischen Bedeutung können durch visuelle Gestaltung inzwischen verschiedene inhaltsbeeinflussende Komponenten zugeordnet werden. Moderne Textverarbeitungsprogramme wie z.B. WINWORD von Microsoft oder WordPerfect (DTP-Programme, Desktop Publishing) eröffnen ungeahnte Möglichkeiten der Textgestaltung. Zuerst wird eine Seite eingerichtet, d.h. mit einem Seitenrand oben, unten, links und rechts versehen und es werden Kopf-, Fußzeilen und Seitennumerierungsmakros (Paginierung) angebracht, Textteile werden mit Umrahmungen und Hintergrundschattierungen im Linien- oder Punktrasterverfahren von unterschiedlicher Tönung hervorgehoben. Das Textkorpus, durch Blocksatz begrenzt, d.h. mit links- und rechtsbündigem Rand oder aber im "Flattersatz", d.h. ohne Randausgleich, vielleicht gar zentriert oder in mehreren Spalten dargestellt, die Überschrift fett, zentriert oder kursiv in den Vordergrund gestellt, all dies gibt dem Text gleich ein ganz anderes "Aussehen".

Solche Eingriffe in den Text durch das sogenannte Layouten mögen nur bedingte kognitive Einflüsse auf das Textverstehen haben, obwohl durch Einrahmungen verschiedener Textpassagen oder Hervorheben durch Fett- oder Kursivdruck inhaltliche Präferenzen gesetzt werden können, die ursprünglich nicht beabsichtigt waren.

Der Text wird auch gerne mit besonderen Begrenzungs- und Schreiblinien in allen Stärken und Arten, wie "Englische Linien", "Azuree-" oder "Moiré"-Linien, angereichert.

Spezielle Graphikhervorhebungen können dem Text zusätzliche Informationen hinzufügen oder auf bestimmte Inhalte hindeuten, wie auch Typosignale ( ) die nichts mit dem Text im eigentlichen Sinne zu tun haben müssen. Als Beispiel mag hier nur das Copyrightzeichen gelten.

Der Inhalt des Textes wird oft durch den zuerst ins Auge fallenden graphischen Charakter überschattet. Es werden Schmuckzeichen in den Text eingebaut oder Vignetten, abstrakte oder gegenständliche Typobilder, die als Raumfüller andere oder gar falsche Assoziationen zum Text hervorrufen können.

Großer Einfluß übt auch die verwendete Schriftart auf den Text aus. Früher war die Typographie noch eine Art Geheimwissenschaft. Wer einen gedruckten Text haben wollte, mußte ihn "in Satz geben". Heute ist die Schrift "demokratisiert". Jeder PC-Besitzer bekommt mit seinem Gerät eine Reihe von Schriften mitgeliefert. Z.B. mit der Software Hobby-Typograph kann jeder seine eigene Schrift entwerfen. Bei den Schriftarten ist im wesentlichen zwischen zwei Schriftengruppen zu unterscheiden, der Antiqua, einer "runden Schriftart", die der Volksmund die lateinische Schrift nennt, und der Fraktur-Schriftengruppe, der gebrochenen Schrift, im Volksmund auch deutsche Schrift genannt.[7] Bei der Antiqua-Schriftengruppe wird wiederum bei der Anatomie der Buchstaben nach "Serifen-" undNichtserifenschriften unterschieden. Die meisten der heute verwendeten Schriften besitzen normale Serifen (Füße). Sie spielen für die Lesbarkeit eine wichtige Rolle. Schriften mit dünnen Serifen dagegen weisen in ihrem Aufbau starke Strichkontraste auf. Die so entstehenden Spannungen irritieren den Leser. Werden die Serifen aber in der Schrift stark betont, so ist dies ein Merkmal für eine stark konstruierte Schrift. Sie verzichtet in der Regel auf die an- und abschwellenden Striche, die auch Merkmal einer guten Lesbarkeit sind.

Bei den serifenlosen Schriften ergibt sich der Charakter einer gezeichneten und nicht geschriebenen Form. Ihre Mittellängen sind oft sehr groß, somit erscheinen sie insgesamt größer als vergleichbare Schriften mit Serifen. Weitere Unterscheidungen sind zwischen den sogenannten "dicktengleichen" Schriften und den Proportionalschriften zu machen. Unter einer "dicktengleichen" Schrift versteht man die Schreibmaschinenschriften (PICA) mit einer Buchstabenbreite von generell 2,6 mm, mit Ausnahme der kleineren Form, der PERL-Schrift, mit einer Buchstabenbreite von 2,3 mm.

Die Composerschrift oder auch Proportionalschrift ist in ihren Buchstaben aufgeteilt in neun Einheiten, wobei eine Einheit 0,35 mm beansprucht. Für das "i j l" werden drei Einheiten Platz benötigt, für "I f r s t" vier Einheiten, für "J a c e g v z" fünf Einheiten, für "P S b d h k n o p q u x ß" sechs Einheiten, für "B C E F L T Z" sieben Einheiten, für "A D G H K N O R U V X Y w" acht Einheiten und für "M W m" neun Einheiten. Diese Proportionalschrift verstärkt beim Lesen die begriffliche Wahrnehmung von Worteinheiten und weniger die der einzelnen Buchstaben, da das Auge des geübten Lesers in ruckartigen Bewegungen, sogenannten Saccaden, über die Zeilen fährt und dazwischen etwa 0,2-0,4 Sekunden lang (Fixationsperiode) den Abschnitt zwischen zwei Saccaden, bei durchschnittlicher Schriftgröße 5-10 Buchstaben, in der deutschen Sprache also etwa 1-2 Wörter, erfaßt. Jede Rezeption von Schrift erfolgt dabei auf zwei Arten: erstens durch das eigentliche Lesen, d.h. als Umsetzung der gesehenen Buchstabenfolge in Gedanken, zweitens aber als in der Regel nicht bewußt wahrgenommenes bildhaftes Sehen, das mit dem früher Gesehenen verglichen wird, also prädispositional optische Muster und Metaphern unterbewußt auslöst und eventuell unbewußte Eindrücke, Regungen und Emotionen assoziiert. Generell sind die in den Softwarepaketen angebotenen Fonts den traditionellen Druckschriften nachgebildet. Sie stehen mittlerweile bei fast allen Textverarbeitungsprogrammen zumindest in einer Antiquavariante (Times/Dutch) und einer Groteskvariante (Helvetika/Swiss) zur Verfügung. Fast 5000 Fonts zählt das Angebot führender Schrift-Software-Häuser. So wird mit dem Computer der Effekt der scheinbaren Individualität der maschinellen Schrift erzeugt, den auch schon Gutenberg erzielen wollte.

Der richtige Umgang mit verschiedenen Schriftarten setzt jedoch typographische Regeln voraus, die sich in den letzten Jahrhunderten aus Gewohnheiten herausgebildet und unsere Lesegewohnheiten geprägt haben. Der Gebrauch einer bestimmten Type läßt deshalb bei richtiger Verwendung schon auf den Inhalt eines Textes schließen: in einer Todesanzeige wird eine andere Schriftart gewählt als in einer Werbebroschüre für ein Sonderangebot im Supermarkt.

Im folgenden soll untersucht werden, wie anhand eines bestimmten Textes visuelle Assoziationsmuster für das Layouten entstehen. Der im folgenden abgedruckte Text[8] läßt in jeder Hinsicht durch seinen surrealen Charakter freie visuelle Variationsmöglichkeiten zu, die durch eine DTP Software zwar begrenzt sind, deren Möglichkeiten in der Regel aber selten voll ausgeschöpft werden können.

In der auf 43 Probanden beschränkten Untersuchung sollte der "Dualismus" zwischen Textinhalt und visueller Gestaltung aufgezeigt werden. Gegeben war der im folgenden wiedergegebene Text in PICA-Schrift und ohne Formatierung, der zu visualisieren war.

Dichtung zum Abgewöhnen

Magnetische Felder sind eine ganz besondere Technik, höheren Blödsinn mit philosophischem Hintergrund zu erzeugen. Breton und Soupault gründelten beim Pot-au-Feu mit Coq-au-Vin solange, bis sie sich im pataphysischen Wirbel verloren. Es uhte und muhte und ächzte und krächzte, und Ottos Mops war nicht mehr weit. War nicht mehr weit und kurz davor, in Bab Souissa zu versumpfen, im dumpfen Lichtgemurmel lausiger Höfe, im Schoß der Puffreismutter und der Erbsprinzessin, die behenden Schritts mit Aladins Wunderlampe herangewankt kam. Im Dunst schien groß und wächsern Melusine, suchte verzweifelt Bashbûsh, den fernen Geliebten vergangener Gemäuer. Die Urmutter ließ lang auf sich warten, hatte sich verspätet im himmlischen Stau, die Milchstraße war übergelaufen, die schaulustigen Windsbräute drängelten sich vor, verloren das Gleichgewicht, fielen über den Rand der siebenten Schale und plumpsten alsbald in die Tiefe, auf Luzifer, der unschlüssig seine Giftfackel schwang. Da erlosch das Feuer der Hölle, die Seelen verschmorten und fröstelten still, der Stalaktit goß Feuerwasser aus der Wärmflasche nach, da schmolz die Stalagmitin dahin, reckte voll Sehnsucht die Glieder, mit rauchendem Köpfchen und Spinnweb am Kleid. Breton schlug mit schwerem Kopf auf den Boden, Soupault war das Dichten nun endgültig leid...

Ziel war es, den Text zu gestalten und zu kommentieren. Nicht die Gestaltung sollte den vorgegebenenText beeinflussen, sondern der Text die Gestaltung evozieren. In der Abschlußklausur meiner Lehrveranstaltung "Einführung in die Linguistische Datenverarbeitung" im Wintersemester 1995/96 an der Universität Heidelberg sollte daher dieser surreale, avantgardistisch und ohne realen Bezug erscheinende Text am Personal Computer mit dem Textverarbeitungssystem MS-WINWORD (mit DTP-Funktionalität) abgeschrieben, kommentiert, gelayoutet und mit einer Graphik versehen werden. Der Zusammenhang zwischen Inhalt und Layout konnte so dokumentiert und analysiert werden. Es waren alle technischen Möglichkeiten des Textverarbeitungsprogramms zugelassen. Der Text sollte aufgrund der assoziativen Kompetenz des Layouters einen individuell gestalteten visuellen Charakter bekommen.

Beim Layouten konnte unter siebzig verschiedenen Schriftarten mit Schriftgrößen von 8 -72 Punkten, unter 69 Graphiken und 956 graphischen Objekten der ClipArt-Gallery ausgewählt werden.

Assoziatives Layouten, Beispiel 1:

Kommentar des Studierenden: "Ein merkwürdiger Text"

Assoziatives Layouten, Beispiel 2:

Kommentar des Studierenden: "...oder die Kunst, eine Seite lang phantastischen Unsinn zu schreiben"

Assoziatives Layouten, Beispiel 3:

Kommentar: "... ein merkwürdiger Text!!!"

Insgesamt haben sieben Probanden dem Text eine Schreibschrift wie "Script" zugeordnet, siebzehn haben die übliche Serifenschrift wie Times-Roman gewählt, zwölf eine Nicht-Serifen -Schrift wie Helvetica und nur sieben haben die verschnörkelte Frakturschrift als textadäquat angesehen. In der Regel wurde der Text zu gleichen Teilen linksbündig und im Blocksatz formatiert. Als graphische Zuordnung wurde fünfzehnmal eine Schwarz-Weiß-Graphik mit Buch und einer Schreibfeder verwendet und fünfmal eine doppelte Maske. Wurde eine Nichtserifenschrift dem Text zugeordnet, so hatte dies in der Regel auch Auswirkungen auf die zuzuordnende Graphik. In diesem Falle waren technisch orientierte Graphiken verwendet worden.

An dieser sicherlich wegen der geringen Fallzahl von 43 Probanden nicht als signifikant zu bezeichnenden Untersuchung sollte zumindest tendenziell gezeigt werden, daß der Text nicht nur durch Layouten inhaltlich beeinflußt werden kann, sondern er durch das Unterbewußtsein assoziativ gestaltet wird. Obwohl unsere Probanden kaum Verständnis für den vorliegenden Text zeigten und wenig Phantasie entwickelten, hatten sie ihn doch als eine Art "Wortkunst" angesehen und ihn entsprechend mit Schriftart und Graphik emotional zu gestalten versucht.

Aus den Ergebnissen sollten nun Assoziationsmuster für das Layouten abzuleiten versucht werden. Es wird hier nicht nach Texttypen wie informativer, expressiver und operativer Text unterschieden, sondern generell nach uns als sinnvoll erscheinenden Textarten.

Grobe Einteilung von Assoziationsmustern beim Layouten:

Textarten Formatierung Schriftart
Literarisch linksbündig/ BlocksatzSerifen/ Fraktur
literarisch/ modern linksbündig/ rechtsbündig/ Blocksatz/ zentriertNicht-Serifen
poetisch zentriert/ linksbündig/ rechtsbündigNicht-Serifen/ Fraktur
lebendig linksbündig/ zentriertSerifen/ Fraktur
technisch BlocksatzSerifen/ Nicht-Serifen

Visuelle Assoziationen ergeben sich in erster Linie aus den Text prägenden Stich-, bzw. Schlagwörtern, wenn der Text nicht zu verstehen oder unverständlich ist. Hier z.B. "Dichtung" und "Abgewöhnen", beides Wörter, auf die hauptsächlich in Kommentaren direkt oder indirekt Bezug genommen wurde. Aufgrund persönlicher Prädispositionen, z.B. Bezug zur Kunst, Literatur oder Poesie, oder zur Technik, wird nun dem individuell verstandenen Text eine bildliche Vorstellung zugeordnet. Der Vorgang des Layoutens am Computer, wenn er bestmöglich durchgeführt wird, soll eine optische Harmonie zwischen Textinhalt und visueller Textdarstellung erzeugen und so Disharmonien zwischen individueller Ästhetik und Semantik reduzieren. Layouten am Computer als Therapie gegen kognitive Diskrepanzen wäre sicherlich zu hoch gegriffen, jedoch stellte die frühere handschriftliche Einheit zwischen Schriftbild und Inhalt für den Schreiber eine Harmonie dar, heute dagegen können formlose E-Mails oder mit elektronischen Faxgeräten verschickte Briefe aufgrund fehlender visueller Formvollendung kognitive Diskrepanzen erzeugen, die entweder langfristig Veränderungen ästhetischer Wertvorstellungen in der Persönlichkeit hervorrufen oder gar die Verbindung zwischen intrinsischer Harmonie und extrinsischem Inhalt Verstehens-und Handlungskonflikte erzeugen. Eine tiefgründige Unzufriedenheit mit dem Ergebnis der eigenen Textproduktion oder eine Bezuglosigkeit zum Produkt "Text", können die Folge sein.

Jugendliche - und hier sind die Studierenden mit eingeschlossen - sind heute durch mediale elektronische Einflüsse in einer schwierigen Situation. Oft wird ihnen Hedonismus und Individualismus in Tateinheit mit mangelndem Einsatz für andere sowie generelle Orientierungslosigkeit vorgeworfen. Einerseits suchen sie einen Lebenssinn und -inhalt, richten sich nach den formalen gesellschaftlichen Normen und stellen sie nicht, wie die 68er Generation, in Abrede, sondern verinnerlichen sie in einer apolitischen Weise, andererseits fehlt es ihnen an Intuition, Kreativität und Phantasie. Die Kommentare zum vorliegenden Text unterstützen im wesentlichen meine Thesen.

- ...elendigliches Siechtum überfiel die Leser des Textes ...

- ...lustiger Text!

- Dieser Text ist wirklich sehr komisch und regt unsere Phantasie nicht besonders an.

- ...seltsamer Text "zum Abgewöhnen"

- ...oder einfach genial ???...

- ... ein merkwürdiger Text

- Das Lesen des Textes ist nur empfehlenswert für äußerst Abgehärtete.

- Wie schön ist es, beim Pot-ou-feu mit Coq-au-Vin zu gründeln. Wenn doch ein jeder sich im pataphysischen Wirbel verlieren könnte.

- Der Text ist auch für Muttersprachler schwer verständlich. Dieser als Übersetzungsübung würde uns an den Rand des Wahnsinns treiben.

- Einer, so wie ich mich selbst bezeichne, vielversprechende Studentin, mag diesen Text sehr. Im Text erweist sich nämlich ein besonderer Mut, das heißt, der Mut, an den Wert und an die Bedeutung der Phantasie in der heutigen Welt zu glauben. Nach der unmaßgeblichen Meinung der "vielversprechenden Studentin" sollte ein Mensch immer, unaufhaltsam und geduldig versuchen, seine eigene Phantasie nie zu verlieren. Sie ist ein riesiges Vermögen und auch eine große Hilfe gegen eventuelle depressive Laune und langweilige Menschen. Wer reich an Phantasie ist und sie täglich übt, wird nie alt und bleibt ewig gesund. Garantiert.

- ... ein Paradebeispiel paraglytisches Geschnülze.

- Also ich weiß ja nicht, woher der Text ist. Woher ist er denn? Aus einer philosophischen Abhandlung oder wie? Und die Fremdwörter... also solche habe ich noch nie in meinem Leben gehört.

- Dieser Text sollte nicht zu ernst genommen werden.

-.. Falls man nicht schon selbst davon abgekommen ist!

- ...ganz komischer Text.

- Ottos Mops und die Puffreismutter hatten auf der Milchstraße das Gleichgewicht verloren und frösteteln mit der Wärmflasche, bis sie mit rauchendem Köpfchen das Dichten nun endgültig leid waren

- Wir finden den Text originell aber seltsam.

- ... oder die Kunst, eine Seite lang phantastischen Unsinn zu schreiben.

- Das Abgewöhnen ist nach diesem Text wirklich angebracht.

- wirr aber originell. Schwer abzuschreiben, aber lustig zu lesen.

- Der Titel ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen.

- der Titel bezieht sich auf das 1864 von Breton verfaßte Werk "Dichtung zum Träumen".

- ... netter Text, um die Schreibmaschinen-Tipp-Fähigkeit zu trainieren.

- Wenn jemand die Überschrift, geschweige denn den Text nicht versteht, liegt das aller Wahrscheinlichkeit nicht daran, daß er auf den Kopf gefallen ist, sondern daß er noch nie ein Dichter war.

Ähnliche Einschätzungen in bezug auf die heutigen Jugend gehen aus der aktuellen IBM-Jugendstudie hervor: "...viele Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens ebenso wie die Freizeitgestaltung sind weitgehend durch kommerzielle Angebote und Konsum geprägt. Individualisierung, Hedonismus und Egoismus spielen dabei zunehmend eine gesellschaftliche Rolle, die Mehrheit der Jugendlichen ist mit ihrer Lebenssituation zwar zufrieden, dennoch orientieren sie sich stark an technischen Errungenschaften und übernehmen sektenorientierte Lebenseinstellungen." [10]

Sicherlich sind manche Befürchtungen in bezug auf den Einsatz des Computers unberechtigt. So sahen wir mit banger Erwartung dem Jahr "1984" entgegen. Als jedoch die Prophezeiungen der Orwellschen[11] Alpträumen von der Unterdrückung einer äußeren Macht nicht eintraten und die Wurzeln der freiheitlichen Demokratie gehalten hatten, stimmten ebenfalls nachdenklich gewordene Technikfreaks wieder ihre Loblieder auf den Computer an. Dennoch, so hatte Aldous Huxleys "Schöne neue Welt"[12] nicht einen "Großen Bruder" heraufbeschworen, um des Menschen Autonomie, ihrer Einsichten und ihrer Geschichte zu rauben, sondern die Gefahr lag in der Möglichkeit, daß Menschen anfangen, Technologien anzubeten, ihre eigene Unterdrückung zu lieben und die Denkfähigkeit zunichte machen. Orwell fürchtete Mächte, die die Bücher verbieten würden, Huxley hingegen war besorgt, daß es bald keinen Grund mehr geben könne, Bücher zu verbieten, weil keine mehr gelesen würden. Orwell hatte Angst um die Informationsfreiheit, Huley dagegen sah in der Flut der Informationen den Trend zur Passivität und Selbstbespiegelung. Orwell sah das Problem der Gesellschaft in der Unterdrückung der Wahrheit, der Entstehung einer Trivialliteratur und die Gefahr in dem, was uns verhaßt sei, Kontrolle durch Zufügen von Schmerz. Huxley dagegen befürchtete, daß die Wahrheit in einem Meer von Belanglosigkeiten verschwinde und die Menschen durch Vergnügen (Vergnügungs- und Freizeitindustrie) kontrolliert werden würden.

Diese kleine Erhebung sollte einen Beitrag zum kommunikativen Handeln zwischen Mensch und Maschine, sowie die dabei möglicherweise auftretenden kognitiven Diskrepanzen liefern, denn, so meinte Neil Postman " ... nur in einer gründlichen, unbeirrbaren Analyse der Struktur und der Auswirkungen von Information, nur in einer Entmytifizierung der Medien liegt Hoffnung, eine gewisse Kontrolle über Fernsehen, den Computer und andere Medien zu erlangen".[13]