1. Rahmenbedingungen

Über die Entstehung und Entwicklung des FöJ Baden-Württemberg informiert eingehend die chronologische Übersicht im sechsten Kapitel dieses Abschlußberichts (siehe Seite 63-69). Darin wird als erster Zeitpunkt der 2. Dezember 1987 angeführt, an dem der Antrag von einzelnen Abgeordneten gestellt wurde, in Baden-Württemberg nach niedersächsischem Vorbild jungen Menschen zwischen 17 und 25 Jahren die Absolvierung eines "Freiwilligen ökologischen Jahres" (FöJ) zu ermöglichen, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Regelung analog dem Freiwilligens sozialen Jahr und die haushaltsmäßigen Voraussetzungen zu schaffen, und endet damit, daß am 23. Dezember 1993 das Gesetz zur Förderung eines Freiwilligen ökologischen Jahres im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird.

In der vom Umweltministerium für Baden-Württemberg im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Jugend, Frauen, Familie und Gesundheit erarbeiteten Konzeption heißt es unter anderem über die Ziele des FöJ, daß mit dem Freiwilligen ökologischen Jahr jungen Menschen eine Möglichkeit geboten werden soll, im Rahmen einer praktischen Tätigkeit im Bereich des Umweltschutzes einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Die auf das Erkennen und Verstehen ökologischer Zusammenhänge bezogenen Tätigkeiten sollen vorhandene Kenntnisse vertiefen, neues Wissen aufbauen und praktische Fertigkeiten vermitteln, ohne daß dabei für die Betroffenen ein Leistungsdruck entstehen wird. Damit soll ein lebendiges Bewußtsein für die natürliche Umwelt gefördert werden. Neben der praktischen Tätigkeit erhalten die Teilnehmer eine ökologische und umweltpolitische Weiterbildung. Sie werden dadurch befähigt, ökologische und politische Zusammenhänge zu verstehen, eigenverantwortliches und kooperatives Handeln zu entwickeln sowie ökologische Wertvorstellungen zu begründen und zu festigen. Darüber hinaus soll der im Rahmen der praktischen Tätigkeit vermittelte Einblick in ökologisch orientierte Berufsfelder den Teilnehmern Hilfestellung zur Berufsfindung geben.[1]

Wie sehen die Vorstellungen der mit der Umsetzung dieser Konzeption beauftragten Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg aus? Die individuelle Betreuung der Teilnehmer soll durch pädagogisch erfahrene Personen erfolgen. Die Begleitseminare ergänzen die praktische Tätigkeit an der Einsatzstelle. Sie vertiefen die dortigen Erfahrungen durch ökologische und umweltpolitische Bildung und sollen ökologisches Grund- , Orientierungs- und Handlungswissen umfassen. Sie sind dazu vorgesehen, das Umweltbewußtsein, die Zukunftsverantwortung, die Urteilsfähigkeit sowie die Eigeninitiative zu fördern und zu kooperativem Handeln zu befähigen.[2]

In der ministeriellen Konzeption wird unter Pt. "2.11 Erfolgskontrolle und wissenschaftliche Begleitung"3 festgestellt, daß eine "Kontrolle des Erfolges der Maßnahme FöJ besonders wichtig" sei. Das Modellprojekt soll wissenschaftlich mit dem Ziel begleitet werden, "grundsätzlich die Frage zu klären, ob das Freiwillige ökologische Jahr in dieser Ausgestaltung eine geeignete bildungspolitische Maßnahme für junge Menschen ist und ob sich die vorliegende Konzeption als Modell für die Schaffung einer bundesgesetzlichen Regelung zur Einführung eines Freiwilligen ökologischen Jahres eignet."4 Da das "Gesetz zur Förderung eines Freiwilligen ökologischen Jahres"5 als Bundesgesetz am 17. Dezember 1993 verkündet wurde, kann in diesem Gutachten nur noch auf den ersten Teil des Auftrages Bezug genommen werden, nämlich, ob die Ausgestaltung und Realisierung des FöJ als eine geeignete Bildungsmaßnahme für Jugendliche inhaltlich zu vertreten, zu ergänzen oder umzugestalten bzw. insgesamt für die Jugendlichen geeignet ist.

Um diese Fragen beantworten zu können, hatte sich die wissenschaftliche Begleitforschung in Baden- Württemberg auf eine empirische Untersuchung festgelegt, die auf standardisierten und halbstandardisierten Fragebögen und teilnehmender Beobachtung bei den Bildungsseminaren basierte. Hinzu traten Erkundungen bei den Einsatzstellen und offene Interviews mit Einsatzstellenleitern und Teilnehmern[6] vor Ort. Zur Begutachtung des Modellprojektes wurden zwar die niedersächsischen Methoden der dortigen Begleituntersuchung übernommen, jedoch die Teilnehmerbefragung um Fragenbatterien zu den Items "gesellschaftliches Problembewußtsein" und "menschliches Zusammenleben" erweitert. Auch schien es angezeigt, sich bei dieser Gelegenheit ein differenzierteres Persönlichkeitsbild von den Teilnehmern durch Fragen zu Introversion und Extraversion zu machen.[7] Um die Antworten der Teilnehmer besser einschätzen zu können, wurde zusätzlich noch eine Vergleichsgruppenbefragung von Studenten der Universität Heidelberg durchgeführt.

Generelles Ziel der Untersuchung war es, im einzelnen Erkenntnisse zu gewinnen über:

(a) Persönlichkeitsbild der FöJ- Teilnehmer

(b) Einstellung und Erfahrungen der Einsatzstellen

(c) Ablauf und Ergebnisse der von der Landeszentrale für politische Bildung durchgeführten Begleitseminare.

Die Fragebogen wurden in der Regel in den Seminaren verteilt und sollten auch dort schriftlich ausgefüllt werden. War dies aus forschungspraktischen Gründen nicht möglich, wurden sie den Teilnehmern mit der Post zugesandt. Ein frankierter[8] Rückumschlag wurde in diesen Fällen beigelegt. In die verschiedenen Befragungen in allen drei Jahren wurden alle Teilnehmer und Trägereinrichtungen (Einsatzstellen) einbezogen; dies erfolgte jeweils in mehreren Schritten:

1. Eingangsbefragung (ein Fragebogen)

2. Seminarbefragung (in der Regel ein Fragebogen pro Seminar)

3. Schlußbefragung (ein Fragebogen)

4. Einsatzstellenbefragung (ein Fragebogen)

5. Elternbefragung (ein Fragebogen / nur im 3. Untersuchungsjahr)

Die Befragungen stießen allerdings u.a. auf folgende Schwierigkeiten, die sich auch im Verlauf eines Jahres jeweils durch abnehmende Rücklaufquoten bemerkbar machten[9]:

(a) Die Teilnehmer des FöJ standen der Wissenschaft distanziert gegenüber; sie hielten u.a. wenig von Meinungsbefragungen mit Computerauswertung.

(b) Die Untersuchung war manchen Teilnehmern zu anonym; sie hätten daher keine Bedenken dagegen gehabt, daß ihre Antworten ihrer Person zugeordnet werden könnten. Dies war aber aus datenrechtlichen Gründen nicht gestattet.

(c) Die Teilnehmer lehnten eine "beobachtende Teilnahme" der Seminare ab. Was sie wünschten, war eine volle Integration der Beobachter in die Seminargemeinschaft, einschließlich der Anrede in der 2. Person Singular ("Du"). Dies bezog sich auch auf die Seminarleitung, die dieser Forderung allerdings uneinheitlich nachkam.