1.2. Jugend zwischen "Krisenorientierung" und Optimismus

Die Autoren des Buches Die Grenzen des Wachstums[1] kamen vor über 20 Jahren zu folgender Diagnose: Die WELT DER MODERNE sei einmal mehr in die Krise geraten. Eine Krise des Menschen in seinem Verhältnis zur Natur, das den Sinn des Lebens nicht in der Harmonie mit der Natur suche, sondern Kontrolle über die Natur anstrebe und darin den Fortschritt sieht. Auch Beck zieht 1986[2] in seinem Unterfangen, die Moderne zu erklären, den Schluß, daß unsere Gesellschaft durch den Modernisierungsprozeß und die mit ihm verbundenen Entwicklungen von Wissenschaft und Großtechnologien wie auch von scheinbar harmlosen kleinen Alltagstechnologien einen neuen Stand erreicht hat. Durch den rasanten sozialen Wandel verlören traditionelle Werte an Bedeutung, viele sinnstiftende und identitätsverleihende Normen und Verhaltensmuster seien außer Funktion gesetzt, ohne daß neue alternative Rollen und Normen entwickelt würden. Dennoch ergeben im Vergleich zu den im wesentlichen aus den 80er und 90er Jahren stammenden zukunftspessimistischen Visionen der Jugendlichen, die von anderen Wissenschaftlern ein auf Selbstbehauptung gerichtetes optimistisches Zukunftsbild zeichnen. So zitierte Schuchardt in ihrem FöJ-Abschlußbericht Hölderlin: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch"[34] und verspricht sich davon ein stärkeres Gegenbewußtsein, parallell zu den wachsenden Umweltkatastrophen. In diesem Sinne spricht auch die Shell-Studie von "Zukunftsoptimismus und Selbstbehauptung" und in der IBM-Studie '92 ist von einer "selbstbewußten" Jugend die Rede.

Zwar blickt diese optimistisch in die Zukunft, doch zeigen sich 70% dabei besorgt über aktuelle Umweltprobleme.[5] Einhergehend mit dieser Zahl ist ein hoher Grad an politischer Informiertheit bei einer Haltung, die an den Institutionen des politischen Systems vorbeigeht und ihren Ausdruck im Schlagwort der "Politikverdrossenheit" findet.[6]

Dieser Zustand ist zwar nur ein Teil subjektiv erfahrener Wirklichkeit, führt aber bei einem kleineren Teil der Jugendlichen zur Verunsicherung und Desorientierung, zu einer starken psychischen Belastung. Sie betrifft jene, die vielleicht noch stärker als andere auf Vorbilder angewiesen sind. So auch ein Teil der Jugendlichen, die sich zur Teilnahme am Freiwilligen ökologischen Jahr entschlossen haben. In dieser Situation entscheiden sie sich, sich ausbilden zu lassen, eine berufliche Identität zu entwickeln - und am FöJ teilzunehmen. Grundlage ihrer Entscheidung ist die gesellschaftliche Situation, wie sie sie konkret erfahren. Von daher sollte ihre Entscheidung vor dem Hintergrund der natürlichen und sozialen Umwelt, der zunehmenden Differenzierung der Lebensverhältnisse und der damit verbundenen Suche nach sich selbst und nach einer beruflich sicheren Zukunft betrachtet und analysiert werden. Verhaltensweisen, Bewußtseinsformen und Entscheidungsstrukturen der Jugendlichen lassen sich befriedigend nur im Blick auf diese Sachlage klären. Gleichgewichtig bei der Analyse berücksichtigt werden müssen einerseits die Bedürfnisse dieser Jugendlichen - sichere Zukunftsperspektiven, vertrauensvolle Atmosphäre, Selbstverwirklichungsmöglichkeiten - andererseits die zivilisatorischen Risiken, die nicht zuletzt den Spielraum für die freie Entfaltung der Persönlichkeit einengen: So ist das Spannungsfeld beschaffen, an dem diese Jugendlichen ihre Handlungen orientieren und ihre Bewußtseinsinhalte messen. Aus diesem Grund möchten wir einerseits auf spezifische Probleme, Aufgaben und Situationen eingehen, die Jugendliche in der Gesellschaft zu meistern haben, andererseits aber spezifische Motive und Interessen der Jugendlichen, die am FöJ teilnehmen, analysieren.