1.3.5. "Umweltbewußtsein" als Grundlage für umweltpolitisches Handeln

Das "Gesetz zur Förderung des FöJ" beschreibt dessen Aufgabe wie folgt: "die Persönlichkeit sowie das Umweltbewußtsein zu entwickeln und für Natur und Umwelt zu handeln"[1]. Mit dieser Formulierung kann der Eindruck erweckt werden, als ob a) eine eindeutige Definition von Umweltbewußtsein vorhanden sei; b) eine Automatik zwischen Umweltbewußtsein und Umwelthandeln bestünde. Beides trifft jedoch nicht ohne weiteres zu. Wer die Entwicklung des Umweltbewußtseins in der Bundesrepublik verfolgt, begegnet einem erstaunlichen Phänomen. Zwar wurde bereits in den 60er Jahren die Gefährdung der Umwelt erkannt und nach Abhilfe gerufen - u.a. "blauer Himmel über dem Ruhrgebiet" -, doch zu einem Massenphänomen wurde das Umweltbewußtsein erst in den 70er Jahren. Dazu trug der "Club of Rome"[2] ebenso bei wie die z.T. mit großer Leidenschaft geführte öffentliche Diskussion über Wasserverschmutzung, Luftbelastung und Atomgefährdung. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die Medien, die viel dazu beigetragen haben, die Bevölkerung für Umweltfragen zu sensibilisieren.[3] Es kam zu einem "over-spill-effect", d.h. auch der Ökologiebewegung sonst Fernerstehende begannen, die Umweltgefahren ernst zu nehmen. Wer davon noch nicht überzeugt war, wurde dann durch die "Tschernobyl-Katastrophe" aufgeschreckt.

Der sich auf der Basis eines gesichert erscheinenden Massenwohlstandes vollziehende Wertewandel (Postmaterialismus) hat auch den Boden für umweltpolitische Maßnahmen vorbereitet. Es ist dabei zu erinnern an das schon 1971 vorgelegte "erste Umweltschutzprogramm der Bundesregierung" und die Gründung von Umweltministerien in Bund und Ländern. Das sich herausbildende Umweltbewußtsein stellt jedoch nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Problem dar. Tschernobyl schien zunächst jenen recht zu geben, die ein krisenhaft zugespitztes, existentielles und alternatives Umweltbewußtsein vertraten. Ihnen schlossen sich auch Angehörige von Bürgerinitiativen an, von denen wiederum manche - zunächst durchaus gesellschaftskritisch eingestellt - nicht länger auf die Verwirklichung eines alternativen Zivilisationskonzeptes warten wollten, sondern damit begannen, auftretende Umweltprobleme lebens- und ortsnah zu lösen. Dieser Pragmatismus konnte sich wiederum mit einem Umweltbewußtsein verbinden, das vor allem darauf abstellt, die eigenen Lebensführung ökologisch zu gestalten. Und schließlich gibt es noch ein diese Einstellungen aufnehmendes, sich aber auch mit ihnen auseinandersetzendes Umweltbewußtsein, das im Zuge eines Inkrementalismus, d.h. schrittweiser Lösungsstrategien, versucht, die drängenden Umweltprobleme durch einen Ausgleich von Ökonomie und Ökologie in den Griff zu bekommen. Es sieht sich heute einer Belastungs- und Bewährungsprobe in einer Zeit struktureller Massenarbeitslosigkeit ausgesetzt.

Der Begriff "Umweltbewußtsein" wird in der Wissenschaft verschieden definiert. Während z.B. Dieter Urban darunter ein bloßes kognitives Konstrukt sieht[4], versuchen H.J. Fietkau u.a, Umweltbewußtsein mit handlungstheoretischen Konzepten zu erklären.[5] Dafür spricht auch die vorhergehende Bestandsaufnahme, die deutlich machte, daß ein Zusammenhang zwischen Umweltbewußtsein und Umwelthandeln besteht. Davon gingen auch die Empfehlungen der UNESCO zur Umwelterziehung aus.[6] Darüber hinausgehend unterstellten diese, daß mit der Bildung des Umweltbewußtseins schon das Entscheidende getan sei, d.h. ökologisches Wissen und ökologische Verhaltenskonsequenzen seien geradezu eine zwangsläufige Folge desselben. Wie aber Beobachtungen zeigen, ist dies nicht immer der Fall. Umgekehrt gilt das gleiche: Die handlungsorientierte Beschäftigung mit Umweltfragen muß noch nicht in ein wie auch immer geartetes Umweltbewußtsein münden. Auch im Bereich der Umwelterziehung ist daher die "kognitive Dissonanz" in Rechnung zu stellen, d.h. daß Bewußtsein (Wissen) und Verhalten auseinanderklaffen können.

Für die Struktur des FöJ ist folgendes Bedenkenswertes festzuhalten:

Zum einen: Wenn Umweltbewußtsein nicht ohne weiteres zu einer Handlungsorientierung führt, so sollte diese im Sinne der Definition des Sachverständigenrates, Umweltbewußtsein sei "Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch diesen selbst, verbunden mit der Abhilfe"[7], bewußt zum Gegenstand pädagogischen Bemühens gemacht werden. Zum anderen: Es kann in einer pluralistischen Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland nicht ein Umweltbewußtsein geben. So unterscheiden sich nicht nur das Umweltbewußtsein der Alternativen und Pragmatiker, sondern auch das der Erwachsenen und der Jugend voneinander.

Wie nimmt sich dagegen das Umweltbewußtsien der FöJ-Teilnehmer aus?

"Der Kenntnisstand der Jugendlichen zum Schutz von Natur und Umwelt ist sehr hoch, und die Sicherung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen ist für sie eine Aufgabe von hoher Dringlichkeit."[8]

Dies wird auch durch die Ergebnisse der Shell-Studie von 1991 bzw. der IBM Jugendstudie von 1992 bestätigt. So identifizierte die IBM-Studie einen "harten Kern" von 17% der Jugendlichen, die sich aktiv für den Umweltschutz engagieren. Zugleich wird dieser von 4% als wichtigstes persönliches Problem betrachtet. Zu ihnen können auch die Teilnehmer des FöJ gerechnet werden.