4. Seminare

4.1. Funktion der Seminare

Das FöJ geht von folgenden Zielsetzungen aus:

- Erweiterung und Vertiefung des Umweltbewußtseins

- Vermittlung von ökologieorientiertem Wissen und Verhaltensweisen

- Vermittlung praktischer Fähigkeiten im Umweltschutz

- Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung

Innerhalb seines "Dualen Systems" verbringen die Teilnehmer den weitaus größseren Teil ihrer Arbeitszeit (85%) in den im vorhergegangenen Kapitel beschriebenen Einsatzstellen. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den jährlich fünfmal in wechselnden jugendgemäßen Tagungsstätten des Landes abgehaltenen einwöchentlichen Seminaren zu? Gegenüber dem Hintergrund des vorgegebenen Zielsystems und angesichts der im dreijährigen Modellauf gesammelten Erfahrungen ergibt sich nachstehendes Funktionsbild:

a) Erfahrungsaustausch: Die Teilnehmer sind in ihren programmatisch verschieden orientierten Einsatzstellen in den unterschiedlichsten Arbeitsgebieten tätig. Ihre dort gewonnenen Erfahrungen fließen auch indirekt in die Seminare ein: Zum einen bieten sie Anregung und Stoff für Gespräche am Rande derselben sowie Fragen innerhalb der Seminarveranstaltungen; zum anderen bilden diese Erfahrungen ein Anregungspotential für die Seminarplaner. Diese stehen seit dem ersten FöJ vor dem Problem, wie über die Ansatzpunkte Teilnehmer, Arbeitsteam und Einsatzstelle eine engere Verknüpfung (Vernetzung) zwischen der Einsatzstellenarbeit und den Seminarthemen zu erreichen ist. Einen Hebel für dieses Bemühen stellen die in Seminare eingebauten Besuche von Einsatzstellen dar. Bei diesen können sich die Teilnehmer ein unmittelbares Bild von der Verschiedenartigkeit der Träger und ihrer Arbeitsgebiete gewinnen.

b) Integrations- und Identitätsbildungsfunktion: Legitimerweise kommt aus der Sicht der Teilnehmer den Seminaren eine gemeinschaftsbildende und identitätsfördernde Funktion zu. So loben sie in den Fragebögen "das Zusammensein mit Gleichgesinnten" oder "die Gemeinschaft untereinander". Dabei ist zu berücksichtigen, daß sie vielfach in den Einsatzstellen nur allein oder zu zweit tätig sind. Die Seminare können ihnen daher helfen, diese Vereinzelung zu ertragen und einen Gemeinschaftsrückhalt zu gewinnen. Auch unter den FöJ-Teilnehmern laufen gruppendynamische Prozesse ab. Sie zeigen sich u.a. darin, daß einzelne Teilnehmer eine Führungsrolle übernehmen, andere in eine Außenseiterrolle gedrängt werden. Es zeichnen sich auch politische Anpassungszwänge ab, die sich gegen Minderheitenmeinungen richten können. Das ist der Seminarleitung bekannt. Sie versucht daher behutsam einzugreifen, wenn sie nicht gar vor der Notwendigkeit steht, kompensatorische Gegenpositionen zu entwickeln.

c) Orientierungsfunktion: Das FöJ soll auch der Berufs- und Lebensorientierung seiner Teilnehmer dienen; bei nicht wenigen von ihnen war diese Funktion auch ausschlaggebend für eine einjährige Verpflichtung. Bei den Seminaren fällt auf, daß Fragen der Lebensorientierung in den Programmen nicht als besondere Themen ausgewiesen werden. Problemfälle werden jedoch in Gesprächen zwischen der Seminarleitung, der Einsatzstelle und den Teilnehmern zu klären versucht. Anders sieht es bei der Berufsorientierung aus. Da ein erheblicher Prozentsatz der Teilnehmer einen ökologisch orientierten Beruf anstrebt, gewinnen in ihren Augen die naturwissenschaftlich-ökologisch bestimmten Seminarthemen und die damit zusammenhängenden Experimente oder Begegnungen vor Ort den Charakter einer Berufsvorbereitung. Diese stellen aber auch einen wichtigen und unverzichtbaren Bestandteil einer allgemeinen, fächerübergreifenden Umwelterziehung dar. Dazu gehört notwendigerweise auch die politische Bildungsdimension. Es bedarf zunächst keiner weiteren Erörterung, daß angesichts der vielfältigen Umweltbelastungen und Naturgefährdungen eine Veränderung des individuellen Verhaltens geboten ist. Wie sich aber zeigt, reichen individuelle Verhaltensänderungen allein nicht aus, um den Umweltgefahren wirksam zu begegnen. Es sind dazu auch über den nationalstaatlichen Rahmen hinausgreifende politische Maßnahmen erforderlich, wozu aber nicht nur Verbotsregulierungen, sondern u.a. auch Überlegungen und Bemühungen zu einem ökologischen Umbau der Marktwirtschaft gehören.

d) Politische Bildungsfunktion: Die FöJ-Teilnehmer bedürfen keines zusätzlichen emotionalen Schubs, um sich für Umweltfragen zu interessieren und zu engagieren. Wie andere ihrer Altersgenossen sind sie überaus kritisch gegenüber einer Gesellschaft, die Umweltkatastrophen produziert. Doch selbst ein solch kritisches Umweltbewußtsein kann sich heute nicht mehr damit begnügen, die als schlecht empfundene Gegenwart anzuprangern. Es muß sich gegenüber einer demokratischen Öffentlichkeit der Frage stellen, welche Maßnahmen zur Abwendung von Umweltgefährdungen für zweckmäßig und durchsetzungsfähig zu halten sind. So geht es u.a. darum, über das FöJ junge Menschen dazu zu befähigen, sich sachkundig und kommunikationsfähig am Meinungs- uns Willensbildungsprozeß in unserer offenen Gesellschaft zu beteiligen. Der Seminarverbesserungsvorschlag einer Einsatzstelle lautete daher schon vor Jahren: "Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen für technische Lösungen, juristische Maßnahmen, politische Maßnahmen."[1] Dazu sind auch Kenntnisse über das politisch-wirtschaftliche Umfeld, über seine sperrige Realität und seine konkurrierenden Interessen, erforderlich.[2]