4.2. Umwelterziehung und politische Bildung

In einer dem Perspektivenwechsel vom Naturschutz zur Ökologie folgenden Umwelterziehung sollte die umweltpolitische Urteilsfähigkeit ebenso integriert sein wie die umweltpolitische Kommunikations- und Handlungsfähigkeit. Umgekehrt hat sich auch die politische Bildung der Umweltproblematik zu öffnen. Dies geschieht bereits über die von den Schulministerien erlassenen Lehrpläne und über die Landesschulzentren zur Umwelterziehung. Ökologische Themen gehören überdies zum Standardangebot der politischen Erwachsenenbildung. So haben 1989 in den alten Bundesländern 6.200 Umweltveranstaltungen für 150.000 Teilnehmer stattgefunden.[1] Welche Themen dabei bearbeitet und erfahren werden, bezeugen Arbeits- und Dokumentationshefte aus Niedersachsen. Diese unterscheiden fünf Themenbereiche; und zwar diejenigen, die

- "die ökologischen Grundbereiche in einem eher herkömmlichen Sinn zum Inhalt haben. Dies ist der Themenbereich 1: Gefährdete Lebensgrundlagen;

- eher auf den Bereich des umweltverträglichen Verhaltens im Alltag zielen. Dies ist der Themenbereich 2: Ökologischer Alltag. Selbst ist der Mann/ die Frau;

- eher auf strukturelle gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge verweisen. Dies ist der Themenbereich 3: Zwischen Mensch und Natur: Ökonomie, Politik und Gesellschaft;

- auf eine grundlegende Reflexion des Verhältnisses von Natur und menschlicher Existenz zielen. Dies ist der Themenbereich 4: Natur und menschliche Existenz;

- auf zukünftige Lebensbedingungen und Lebenschancen gerichtet sind. Dies ist der Themenbereich 5. Zukunftsperspektiven."[2]

Aus alledem ist zu schließen, daß die FöJ-Teilnehmer ökologisch nicht unvorbereitet in die Einsatzstellen und Seminare kommen. Der politischen Didaktik reicht eine ökologische Grundbildung jedoch noch nicht aus. Sie stellt die Forderung, daß die Umwelterziehung einen zentralen Platz in der politischen Bildung einnehmen müsse. Bei ihrer Umsetzung hätte sie ohne viel Schönfärberei mit Optimismus und Mut ans Werk zu gehen, um auf diese Weise zur Lösung der zentralen Probleme beizutragen.[3]

Wie nicht anders zu erwarten, bestehen in der didaktischen Diskussion aber unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie dieser zentrale Stellenwert zu begründen und in der Bildungspraxis umzusetzen ist. So macht sich Bernhard Claußen distanzlos die Becksche Position der "Risikogesellschaft" zu eigen und bereitet diese didaktisch auf: "Konsequenterweise müssen die Kernelemente der Risikogesellschaft den Fokus für ökologieorientierte Bildungsarbeit liefern."[4] Davon ausgehend, sollten historisch überkommene Normen, Einrichtungen und Verfahrensweisen der Gesellschaft überprüft werden. Dabei sind seiner Meinung nach auch die Prinzipien des vorherrschende Zivilisationskonzepts zur Disposition zu stellen. Eine Gegenposition vertritt Paul-Ludwig Weihnacht, der in dem Szenario der Risikogesellschaft eine perspektivische Sichtverengung erblickt. Wo alles möglich erscheint, verlieren persönliche Verantwortung und Sicherheitsstandards ihren Sinn.[5] Er glaubt daher vor den Gefahren einer bestimmten "Politikverkündung" warnen zu müssen. Seiner Ansicht nach soll die politische Bildung dabei helfen, die Frage zu klären, auf welchen Wegen sich eine politische Steuerung des gesellschaftlichen Prozesses, gegebenfalls eine Umsteuerung desselben erreichen läßt.[6]

Mit seinem Antipoden Claußen stimmt jedoch Weihnacht in einem für die Betrachtung unserer FöJ-Seminare nicht unwichtigen Punkt überein: Danach kommt es weniger darauf an, den Umweltpolitikbereich zusammenhängend darzustellen, als vielmehr über die Politikaspekte "Polity" oder "politics" bedeutsame umweltpolitische Fragen aufzugreifen und zu erarbeiten. Trotz dieser Übereinstimmung bleibt weiterhin strittig, welche Perspektive dem Zugang zur Umweltproblematik angemessen ist. Könnten hier nicht Wolfgang Hilligens Optionen für "Überleben" und "Gutes Leben" einen konsensfähigen Ansatz bilden? Für die konkrete Ausfüllung dessen, was unter beiden zu verstehen ist, dienen die heuristisch zu gebrauchenden Begriffe "Risiken" und "Chancen". Um bei unserem Thema zu bleiben: Die Umweltproblematik stellt eine Herausforderung für das "Überleben" und ein "Gutes Leben" dar. Sie enthält Chancen im Sinne der Notwendigkeit und Möglichkeit von umfassenden Regelungen, gleichzeitig können jedoch diese eine Gefährdung der Selbstbestimmung und Eigenständigkeit darstellen.[7]