TcT 13 = 3,
1999,
Helmuth
Sagawe
Das Internet im interkulturellen Vergleich
-
Überlegungen zu einem
Untersuchungsvorhaben
über regionale und globale Identitätsbildung
durch das Internet
Vorbemerkung
Gesellschaftliche
Transformationsprozesse und sich daraus ergebende kulturelle Veränderungen
werden heute nicht mehr nur allein von den traditionellen Medien
widergespiegelt, sie können inzwischen auch auf Grund der Vielfalt von
digitalisierten Informationen im Internet analysiert werden. Die Varietäten der
Sprache sind dabei ein wesentliches Beurteilungskriterium.
Der folgende Beitrag behandelt ein
derzeit laufendes wissenschaftliches Projekt1, das über die
Translationswissenschaft hinaus interdisziplinär im Bereich Neue
Kommunikationsmedien auch die Disziplinen Soziologie, Psychologie, Philosophie
und Kommunikationswissenschaften berührt. Am Institut für Übersetzen und
Dolmetschen der Universität Heidelberg wird zur Zeit vom Verfasser des
folgenden Beitrags im Rahmen einer Lehrveranstaltung über
"Interkulturalität im Internet" geforscht. Neben der Erarbeitung
theoretisch fundierter Kommunikationskonzepte werden empirische Daten erhoben
und analysiert. Der aktuelle Forschungsstand, die didaktische Aufarbeitung und
die Präsentation der Ergebnisse können laufend im Internet über
http://www.dr-sagawe.de abgerufen werden. Das Projekt wird voraussichtlich Ende
2000 abgeschlossen sein.
0.
Einleitung
Eines der wichtigsten
Ereignisse am Ende des zweiten Jahrtausends sind der Aufbau und die
Weiterentwicklung des internationalen Kommunikations- und Informationsnetzes
Internet. Das Internet ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen und
Untersuchungen im Alltag, in der Wissenschaft und den Medien. Natur-, Sozial-
und Kulturwissenschaft befassen sich mit dem Phänomen Kulturraum Internet (vgl.
z. B. die Projektgruppe "Kulturraum Internet" am Wissenschaftszentrum
Berlin für Sozialforschung, WZB - http://www.wz-berlin.de). Allein 517mal ist
der Terminus Kulturraum Internet im World Wide Web in deutscher Sprache zu
finden.2 Neben der technischen Innovation werden gesellschaftsverändernde
Funktionen dieses Wissens- und Informationsnetzes diskutiert; es wird von einer
neuen "nachindustriellen Revolution" und einem "digitalen"
und "virtuellen Zeitalter" - sogar von einer "neuen Ära in der
Menschheitsgeschichte" gesprochen. In diesem Zusammenhang muß auch die
"Globalisierung der Welt" durch das Internet gesehen werden.
Dabei stehen sich zwei konträre
Meinungen gegenüber. Auf der einen Seite ist von einer Vereinheitlichung der
Kulturen und Sprachen die Rede. Auf der anderen Seite heißt es, daß das
Internet eher eine Regionalisierung und die Betonung kultureller Eigenarten
fördert, da es Gelegenheit zur weltweiten Präsentation regionaler Spezifika
biete. Hierdurch könnten nicht nur kulturelle Merkmale verstärkt hervorgehoben
werden, sondern auch nationale Akzentuierungen zu sehr an Gewicht gewinnen.
Das oben genannte Projekt befaßt sich
mit beiden Hypothesen. Entsprechend dem heutigen
"Forschungs-Main-Stream" wird die Deutung der wichtigsten kulturellen
Prozesse im Internet anhand handlungstheoretischer (vgl. Habermas 1981) und
sprachphilosophischer Modelle (vgl. Frege 1971) behandelt, die durch
hermeneutische Ansätze (vgl. Gadamer 1965) relativiert werden.
Neben grundsätzlichen Überlegungen zum
Kommunikativen Handeln von Mensch-Maschine im und durch das Internet, muß auch
der Sachverhalt der Virtualität versus Realität, der diesem Handlungstypus
zugrunde liegt, diskutiert werden, um der Bedeutung spezifischer kultureller
Faktoren in diesem neuen Medium nachgehen zu können. Zur Bewertung von
WWW-Seiten in bezug auf interkulturelle Unterschiede und sozio-technische
Prozesse und Entwicklungen (vgl. Rammert 1999) müssen gemeinsame Kriterien
festgelegt und - ausgehend von Theorien zum Kulturvergleich (vgl. Hofstede
1991) - ein daraus resultierendes wissenschaftliches Instrumentarium erarbeitet
werden. Neben Seitenaufbau und Funktionalität - hierzu wurden bereits
Prüfkriterien und Programme entwickelt, die jedoch für unsere Zwecke noch
ergänzt werden müssen (vgl. z. B. die von der Firma Media Supervision,
Heidelberg-Eppelheim entwickelten Kriterien [http://www.fitforweb.de]), -
werden kulturspezifische Merkmale evaluiert und operationalisiert. Dieses
Testinstrument soll u. a. als empirisches Erhebungsinstrument von Faktoren
eingesetzt werden, das innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen kontrastiv
Interkulturalität in WWW-Seiten messen wird. Zur Erforschung kultureller
Idiosynkrasien und Repräsentationsmechanismen sowie interkultureller
Kommunikationsprobleme im Umgang mit dem Internet als neuem kulturellen
Handlungsfeld werden amerikanische, arabische, chinesische, deutsche,
japanische und russische Universitäten einbezogen.
Die grundlegende These der Untersuchung
lautet: Das Internet trägt zu einer Globalisierung der Kulturen und somit zu
einem einheitlichen kulturellen und kommunikativen Handeln bei.
Die Antithese lautet: Das Internet
fördert eine Regionalisierung der Kulturen und Eigenheiten des kommunikativen
Handelns und unterstützt lokale und spezifische kulturelle Identitäten (vgl.
Döring 1998). Eine Aussage, die auch mit einer zu beobachtenden Verstärkung
nationaler Einstellungen und Handlungsmuster übereinstimmt.
In diesem Zusammenhang spielt auch die
Tätigkeit des Übersetzers/Dolmetschers eine wichtige Rolle. Die traditionelle
Übersetzungswissenschaft sieht Übersetzen als Transfer von Zeichen von einer
Sprache in die einer anderen. Die moderne Translationswissenschaft hat jedoch
unterstrichen, daß dieser Tätigkeit ein komplexer Vorgang zugrunde liegt, der
in mehreren Dimensionen menschlichen Handelns abläuft und durch viele Faktoren
bestimmt wird. Heute verstehen wir Translatorisches Handeln als Zusammenspiel
von Faktoren des transkulturellen Kommunikativen Handelns (vgl. Habermas 1981;
Vermeer 1986).
1.
Mensch-Maschine-Kommunikation
In den
letzten Jahren haben die Neuen Medien unsere alltägliche Lebenswelt erobert. Im
wissenschaftlichen und ökonomischen Bereich und sogar im privaten Haushalt sind
sie durch die Anbindung an Kommunikationsnetze als Informationsbeschaffer (z.
B. im Internet) nicht mehr wegzudenken. Als sozusagen selbständig denkende und
handelnde Maschinen unterstützen sie uns bei Entscheidungen oder nehmen uns
diese als persönliche Partner ab (vgl. Sagawe 1994). Der Computer ist nicht
mehr nur ein teleologisch orientiertes Handlungsinstrument, Werk- und Denkzeug
(vgl. Haefner 1987) oder in dieser Fortführung gar eine "Geistmaschine"
(vgl. Schachtner 1993), sondern muß als selbständiger Agent im kommunikativen
Handlungsprozeß akzeptiert werden (vgl. Sagawe 1995).
Nicht nur der Mensch paßt sich den
jeweiligen Kommunikationspartnern und -strukturen an, sondern ganze Gesellschaftssysteme
stellen sich auf die Neuen Medien ein. In der zwischenmenschlichen
Kommunikation sind Babysprachen, Ausländerdeutsch und besondere idiolektale und
soziolektale Ausprägungen ein Zeichen für die Anpassung an bestimmte
Kommunikationsformen. Im technischen Bereich äußert sich die Anpassung an
Kommunikationspartner und -strukturen durch mit dem Computer gestaltete Texte,
die ihre neueste Kommunikationsform im Gestalten und in der Handhabung von
Hypertexten gefunden haben. Es scheint einiges darauf hinzudeuten, daß die
Befolgung des Kooperationsprinzips mit dem Computer dazu führt, daß der
menschliche Partner die für die zwischenmenschliche Kommunikation typischen
Interaktionsmarker (wie phatische, expressive und situative Elemente) im Dialog
mit der Maschine zugunsten größerer semantischer Präzision, wie Explizitheit
oder gar syntaktischer "Korrektheit", aufgibt.3 Okkasioneller
'Situolekt' oder Ausformung einer neuen Sprachvarietät mit einem Trend zur
Verfestigung und Generalisierung oder die Entstehung ganz neuer kommunikativer
Handlungsmuster scheinen hier zur Disposition zu stehen. Der Aufbruch in eine
neue Ära der Kommunikation verheißt aber nicht nur neue Sprachstrukturen und
vielfältige nonverbale Ausdrucksmittel in einer neuen Visualität, die eventuell
in der heutigen Zeit die 'intellektuelle Durststrecke' unserer Gesellschaft bei
einer "wachsenden Minderheit von Modernisierungsverlierern" (Habermas
1996) auszugleichen versucht, sondern auch, daß das altvertraute gedruckte Wort
durch die digitale Technologie und das dadurch ermöglichte Zusammenspiel von
technischen Elementen wie Telefon, Fax, Fernsehen und Computer von der
'Buchfläche' verschwindet.
Auch hat die Übermittlung von
Information durch neue digitale Techniken eine besondere Qualität erreicht.
Wurden noch vor gar nicht langer Zeit Informationen und gesellschaftliche
Normen durch Erzählen von Geschichten vermittelt - wie dies heute nur noch in
wenigen technisch kaum entwickelten Kulturen zu finden ist (vgl. Greverus 1978)
- und später die verbale Form und der kognitiv entwickelte Gedanke durch die
Verwendung von Hieroglyphen und alphabetischen Schriftzeichen auf Stein, Haut,
Papyrus oder Papier und unter Verwendung von Meißel, Feder, Bleistift
unveränderbar 'zwischengespeichert', so wird heute der Gedanke als Text zwar
semantisch eindeutig, aber visuell variabel gespeichert. Die Qualität eines
Textes ist im Vergleich zum handschriftlichen Verfassen über die Verwendung von
Lettern (wie bei der Schreibmaschine) durch digitales Erfassen von Gedanken
eine andere geworden (vgl. Sagawe 1994).
2.
Kommunikatives Handeln
Der
vernetzte Computer als quasi selbständig denkende und handelnde Maschine ist
zum instrumentellen Partner im kommunikativen Handlungsprozeß geworden.
Handlungs- und Verhaltensänderungen sowie Änderungen im Selbstverständnis
sozialer Systeme sind die Folge.
Zur Erforschung der vorgenannten
Phänomene bedarf es jedoch einer neuen soziologischen Kommunikations- und
Handlungstheorie, da die neuen Sachverhalte schwerlich mit den alten Theorien
erklärbar sind: Kritiker und Befürworter informationstechnischer Innovation
befassen sich in der Regel mit ergonometrischen und arbeitspsychologischen
Auswirkungen und Problemen beim Einsatz von Computern, verkennen dabei aber die
subjektiv wahrgenommene sozio-technische Evolution des neuen Partners Computer
oder gar seine Funktion als Virtuality-Gate.
Bisher wurde Technikwissen vielfach als
Instrument sozialer Machtausübung oder struktureller Herrschaftssicherung
benutzt. Marcuse (1987) wies darauf hin, daß die Technik nicht erst durch ihre
konkrete Anwendung, sondern schon durch ihre Logik und Methodik zur
Herrschaftsausübung benutzt werden könne. Die Einführung der Mikroelektronik in
allen Lebensbereichen kann als Eingriff in die Autonomie des Menschen gesehen
werden. Wie das menschliche Gehirn, so kann auch der Computer Informationen
speichern, rezipieren, transformieren und kombinieren; er ist lernfähig und
sorgt gelegentlich sogar für Überraschungen. Deshalb stellt Geser (1989) der
sozialen Evolution der Menschheit die Ko-Evolution intelligenter Maschinen an
die Seite, die sich im Zusammenspiel zwischen humanen und elektronischen
Interaktionspartnern mit all ihren Auswirkungen vollziehe. Angesichts dieser
noch weitgehend unerforschten Situation soll hier der Versuch unternommen
werden, aus sozial-, kultur- und translationswissenschaftlicher Sicht das
Problem empirisch zu erfassen und in einer neuen Theorie zu formulieren.
Kommunikative und soziale
Verhaltensänderungen können am ehesten an Sprache und Sprachhandlungen
beobachtet werden. Soziale Veränderungen machen zuerst in den Medien wie
Presse, Rundfunk und visuellen Kommunikationsmitteln von sich reden. Die
Sprache realisiert neue Sachverhalte und wird in einem weiteren Schritt zur
metaphorischen Sprache.
Die Ebene der Metaphorik ist jedoch nur
eine erste Stufe zur Erklärung von Verinnerlichungsprozessen virtueller
Gemeinschaften, auf der sich der Umgang mit der informationsverarbeitenden
Technologie in der heutigen Gesellschaft widerspiegelt.
Betrachtet man Handeln in einer
virtuellen Gemeinschaft nun als überaus vielschichtige Kommunikationssituation,
so ist der bisherigen Auffassung von einer Kommunikation Mensch-Maschine ein
erweiterter Begriff vom Kommunikativen Handeln Mensch-Maschine hinzuzufügen.
Die traditionelle Anschauung von der Mensch-Maschine-Kommunikation basierte auf
einem teleologischen Handeln, das sowohl als ein rein auf die Maschine
bezogenes instrumentelles Handeln angesehen wie auch als soziales strategisches
Handeln betrachtet wurde. Beide Fälle beziehen erfolgsorientierte Kalküle als
Handlungsziele mit ein. Solch instrumentell-strategisches Handeln wird durch
Zweck- und Erfolgsorientierung wie egozentrische Erfolgskalküle und die
Koordination individueller Handlungspläne begründet. Die Zweck-Mittel-Relation
kennzeichnet hier das sogenannte Rationalisierungsprinzip. Dieses Prinzip
relativiert sich nun aber in virtuellen Räumen durch die Aufhebung von Raum,
Zeit und Zielorientiertheit.
Der Mensch hat zudem Geltungsansprüche.
Diese beruhen auf den Prinzipien der allgemeinen Verständlichkeit und der
Wahrheit. Beide können aus der objektiven Richtigkeit der Daten und deren
Verarbeitung nach Logik und naturwissenschaftlichen Gesetzen abgeleitet werden.
Als sprachliche Kommunikationselemente werden zwischen Mensch und Maschine
Befehle, Assoziationen und Daten, aber inzwischen vermehrt auch Icons
(Sinnbilder wie z. B. auf der Windows-Benutzeroberfäche) ausgetauscht, die
einen bestimmten Handlungsrahmen vorgeben. Diese Geltungsansprüche bleiben zwar
in den virtuellen Handlungsräumen erhalten, verlieren aber zunehmend an
Bedeutung. Wirklichkeit und Wahrheit sind keine Voraussetzung mehr für
kommunikatives Handeln im Cyberspace.
Kommunikatives Handeln in
sozio-technischen virtuellen Räumen kann somit im Rahmen eines erweiterten
Kommunikationsmodells dargestellt werden (vgl. Sagawe 1995). Es basiert zwar
auf dem Konzept eines normenregulierten Handelns, wird aber im wesentlichen
durch individuelle kognitive Erfahrungen bestimmt. Antizipiert werden
Erwartungen aus der Handlungssituation, wobei sich das Handeln auf die Maschine
und deren Umwelt bezieht. Die Handlungssituation darf als sozial
charakterisiert werden, da Werte, Normen und das antizipierte Einverständnis
der zugehörigen sozialen, aber nicht unbedingt an der Kommunikationssituation
beteiligten Gruppe (virtuelle Gemeinde im Internet) einer gesellschaftlichen
Bestätigung dienen. Somit wird ein reflexiver Modus von Interpretation als
Rationalitätsprinzip gedeutet und die Handlungssituation - in Anlehnung an die
Theorie des Kommunikativen Handelns (vgl. Habermas 1981) - als Ausgangspunkt
angesehen. Rationalität wird dabei zur subjektiv interpretierten Rationalität
uminterpretiert.
Mensch und Computer sind in einen
sozialen Handlungszusammenhang integriert, nehmen Bezug auf ihr erfahrenes und
gespeichertes Wissen, ihre subjektiven Interpretationen und ihre normativen
Orientierungen. Sie beanspruchen innerhalb ihrer realen und visuellen
Scheinwelten die Geltungsansprüche der Verständlichkeit von sprachlichen
Ausdrücken. Die Wahrheit der geäußerten Behauptungen (Daten, Texte, Befehle,
realisierte/virtuelle Räume) und die subjektive Richtigkeit von zum Ausdruck
gebrachten Intentionen unterliegen nur noch der Übereinstimmung mit den gespeicherten
Daten. Die Richtigkeit der vollzogenen Sprachhandlung wird bestimmt durch neue
Normen wie Syntax der Programmiersprache, Verwendung der vorgegebenen Befehle
und Icons sowie neu geschaffene Dimensionen.
Kommunikatives Handeln in
sozio-technischen virtuellen Räumen scheint inzwischen in ein überaus komplexes
Umfeld eingebettet zu sein. Es beeinflußt im nicht-rationalen Bereich das
Verhalten des Menschen dahingehend, daß er sich zumindest in eine
zwischenmenschliche kommunikative Handlungssituation versetzt glaubt und damit
in virtuellen Räumen neue Realitäten und neue Kommunikationselemente und -strukturen schafft.
Zur Verdeutlichung neuartiger Sachverhalte werden in der Sprache oftmals
Metaphern eingesetzt. So können wir auch zur Beschreibung des Computers in seiner kommunikativen Funktion eine neue
"konzeptuelle" Metapher bilden, The Computer is a Gate for a real
Virtuality, die das Prinzip für die Entwicklung zahlreicher kommunikativer
Verhaltensweisen, die seit der Einführung der Computertechnologie zu beobachten
sind, beschreibt. Es wird nun notwendig, erst einmal eine Typologie für
Seinszustände in virtuellen Räumen zu erstellen. Unter Seinszuständen wollen
wir im folgenden die metaphorischen Ausdrücke Spiegelung, Parallelität,
Substitution und Assoziation verstehen und beschreiben:
(1)
Spiegelung der Realität in eine Virtualität - sie drückt sich in einer
existentiellen Doppelung von Real- und Spiegelwelten aus - es entstehen Formen
der Parallelität, der Substitution und Assoziation.
a) Unter
Parallelität verstehen wir dabei parallele Existenzweisen von Real- und
Spiegelwelt. Sie ist die Konkretion der Doppelung.
b) Die
Substitution hingegen weist auf einen substitutiven Doppelungsprozeß hin. Unter
ihr versteht man die Seinskonkretion der Doppelung von Virtualität und
Realität, den partiellen oder gar gänzlichen Ersatz von Teilsegmenten der
Realwelt durch virtuelle Welten. So stellt z. B. das Tamagotchi (virtuelles
Huhn) ein Beispiel für eine substitutive Seinsweise dar, ersetzt es doch
bereits den Hamster in real life.
c)
Assoziation meint die Verknüpfung von real life und virtuellen Seinsweisen. Die
Dialektik von Realraum und virtuellem Raum führt dabei zu qualitativ neuen
Lebensformen, wobei der virtuelle Raum der entscheidende Indikator für
gesellschaftliche Transformationsprozesse sein wird. Die Virtualisierung des
Seins ist der Motor von Transformationsprozessen in unserer Gesellschaft.
(2)
Veränderungen vollziehen sich auch in der Semantik des Raumverständnisses (vgl.
Paetau 1996). Der euklidische und newtonsche Raumbegriff weicht zunehmend einer
relationalen Raumvorstellung, in der soziale Räume immer mehr als ein
virtuelles Netzwerk von Kommunikation, abgekoppelt von geographischen
Voraussetzungen, erfahren werden. Der Cyberspace, die Möglichkeit von
Sozialität unter Abstraktion von körperlicher Realität, erscheint so als ein
weiteres Moment gesellschaftlicher Abstraktion (vgl. Bühl 1996). Über welche
Identitätspotentiale diese neue Form von Sozialität verfügt, liegt einerseits in
einer gesteigerten Kommunikation mit einer enormen Integrationswirkung in einer
virtuellen globalen Weltgesellschaft, andererseits wird sie in einer neuen
Ausdifferenzierung mit zentrifugalen Wirkungen gesehen, einer Fragmentierung
der Öffentlichkeit und Ausdifferenzierung in Teilrationalitäten.
(3) Eine
neue Qualität mit sinnlich-wahrnehmbaren Elementen im virtuellen ermöglicht es
auch, die ganze Welt sinnlich zu alphabetisieren, also Systeme von akustischen,
visuellen, taktilen, olfaktorischen, schwerkraftbezogenen und eventuell
weiteren sinnlichen Elementen zu entwickeln, die eine Verfügbarkeit der Welt
darstellen, die weit über die Erkenntnis per Sprache hinausgeht.
Dem Phänomen
der Virtualität, wie wir es im Spiegelbild oder im Cyberspace erleben, stellt
Foucault (1990) hinsichtlich der gesellschaftlich-räumlich-örtlichen
Gegebenheiten allerdings die "Heterotopien" gegenüber. Darunter
versteht er Orte, die anders sind als normale Orte des Alltagslebens einer
Gesellschaft. Wie ein Spiegelbild verweisen sie die Gesellschaft auf sich
selbst. Orte der abweichenden Abläufe und Rhythmen sind z. B. Sanatorien,
psychiatrische Kliniken, Gefängnisse oder Friedhöfe, Parks, Gärten, Museen,
Bibliotheken, Festwiesen, Kinos, Theater, Bordelle und Klöster. Ihre Abweichungen
bestätigen die Regeln des Alltags, da die Sichtbarmachung der Normabweichung
die Norm stabilisiert. Heterotopien hinsichtlich der Virtualität, also von
Seinszuständen wie Spiegelung, Parallelität, Substitution und Assoziation,
müßten demnach in der Realität gesucht werden.
Von der anderen Seite betrachtet gibt
es für jedes Ereignis in unserer tradierten Welt bei der Berührung mit dem
Computer ein virtuell-heterotopes Gegenereignis. Sprungartig wächst die Menge
der Ereignisse, die Resultate virtuell-heterotoper Gegenwelten sind. Hier
entsteht auch die Genese von homunculus digitalis (vgl. Sagawe 1997). Durch das
Medium Schrift erst wurde der voralphabetische Körper, der homunculus realis,
zum alphabetischen Körperselbstbild homunculus textualis umgeschaffen. Durch
die Erfindung digitaler Medien evoluierte er zum technomedialen Körper, zum
homunculus digitalis.
Die Zeiten, in denen Aussagen auf ihre
Wahrheit hin überprüft werden konnten, scheinen unwiederbringlich vorbei zu
sein. Begriffe wie "objektive Realität", "Widerspiegelung"
und "Abbild" werden - nachdem sie theoretisch schon längst in Frage
gestellt wurden - nun ad absurdum geführt und realisieren sich als heterotope
virtuelle Realität.
Der zentrale Vorgang am Ende unseres
Jahrtausends ist die Virtualisierung des Seins, worunter wir einen Prozeß
verstehen, bei dem die Kommunikation mikro- und makrosoziologischer Bereiche
zunehmend in virtuellen Räumen stattfindet und eine computergenerierte
Entwicklungsumgebung evoziert. Sie führt zu einer neuen Form der Soziabilität.
Kulturelle Muster sowie unser Raumbegriff selbst werden sich ändern.
Gesellschaftliche Transformations- und Kulturationsprozesse können dabei nur im
Kontext der Dialektik von Virtualität und Realität hinreichend erfaßt werden.
Bei der Beurteilung der kulturellen
Folgen im Hinblick auf die technische Ersetzbarkeit des Menschen als homunculus
digitalis oder gar die Kolonialisierbarkeit des Menschenkörpers (vgl. Ellrich
1996) kann mit Virilio (1996) argumentiert werden: Wir müssen zwischen
präsemantischer Wahrnehmung und sozialer Kommunikation unterscheiden. Die
daraus abgeleitete Kernfrage aber bleibt, ob medial erzeugte Bilder sprachlich
geprägte Kontrollmuster zunehmend außer Kraft setzen oder eventuell verstärken.
Man kann die
genannte präsemantische Wahrnehmung auf der Folie der konventionellen
Body-Mind-Trennung dem Bewußtsein zuschlagen, - um diese dann - wie etwa bei
Luhmann (Luhmann 1995), der Kommunikation als eigenständigem System der
Sinnesverarbeitung gegenüberzustellen - oder aber als eine Aktivität auffassen,
an der sich ein wichtiger Aspekt der körperlichen Einflußnahmen auf die
Produktion gesellschaftlich relevanten Wissens niederschlägt. (Ellrich 1996:91)
3. Internet
als Wissens- und Informationssystem
Abstrahieren
wir von den Vorstellungen der Virtualität, die wir später als eine Variable in
unser neues Kommunikationsmodell mit einbeziehen werden, und wenden uns dem
Faktor Daten zu, der für uns die Qualität von Information besitzt. Information
muß in handlungsorientiertes Wissen übergehen und entsprechend kollektiv
organisiert werden, damit es innerhalb eines Gesellschaftssystems überhaupt
wirksam werden und eine Funktion ausüben kann. Dazu ist eine systematische
Aufbewahrung bzw. Speicherung in realen oder virtuellen Räumen notwendig.
Es gibt viele Vorstellungen darüber,
was Information ist und wie sie aufbewahrt und gespeichert werden kann. Analog
zur heutigen digitalen und globalen Informationsverwaltung im Internet gab es
z. B. schon zu Zeiten Rudolf Steiners (1861-1925) Überlegungen über eine
Chronik, die Akashachronik, in der alles Gewesene der ganzen Welt gespeichert
und niedergeschrieben sein sollte. Ihr Prinzip sei es, daß alle Informationen
aus energetischen Impulsen beständen, die sich ständig zwischen den Dimensionen
befinden, in einem bestimmten Frequenzbereich schwingen und quasi auf einer
kosmischen Festplatte, einem universalen Weltgedächtnis, gespeichert sind.
Jeder, der, unabhängig von anderen geistigen und kulturellen Prädispositionen,
entsprechende mediale Fähigkeiten besitzt, könne sich dieser Informationen
bedienen.
De facto werden heute Informationen im
Internet digital (elektronisch) und in bestimmten Frequenzbereichen verstreut
über den ganzen Globus in einzelnen Computern gespeichert. Beim Zugriff auf die
Daten entfallen räumliche und zeitliche Schranken. Sind die technischen
Voraussetzungen gegeben, können Daten aus allen Lebensbereichen und
Kulturkreisen eingegeben und abgerufen werden. Da diese Daten kulturellen
Einflüssen unterliegen, sind sie eine geeignete Basis für sozial- und
kulturwissenschaftliche Analysen (vgl. Cassirer 1994). Eine Analyse der Daten
kann aber nur sinnvoll sein, wenn die Besonderheiten des Mediums Internet, also
die Virtualität mit ihren Geltungsansprüchen, mit in Betracht gezogen werden.
4.
Kulturalität
Sollen nun
die Daten des Internets unter besonderer Berücksichtigung der Geltungsansprüche
der Virtualität auf Faktoren der Kulturalität hin untersucht werden, so müssen
wir uns erst einmal mit Interkulturalität bzw. dem Kulturvergleich beschäftigen
(vgl. Assmann 1999):
Wird über Ursprung und Wesen des
Menschen nachgedacht, sein Schicksal und seine Identität zu ergründen versucht,
so verspricht man sich von der Kulturphilosophie Antwort auf eine Reihe von
Fragen. Der Mensch als Individuum und soziales Wesen muß bei der Bildung von
individueller oder kollektiver Identität im Zusammenhang mit seiner Kultur
gesehen werden. Dies trifft auch auf eine virtualisierte Gesellschaft zu. Darf
daher auch hier Kultur als ein Identitätsbilder angesehen werden? Sicherlich
wohl nur bedingt, da Kultur eine ebenso unklare Begrifflichkeit ist wie z. B.
Heimat oder Identität.
Vermutlich stammen die ältesten
Dokumente über Kultur von Hesiod (vgl. Merkelbach 1997). Aufbauend auf Theorien
über einen Kreislauf der Schöpfungen der Welt und der Kulturen und
Vorstellungen über eine Aufwärtsentwicklung zu einem höchsten kulturellen Ideal
sprach man - bedingt durch das abendländische Selbstverständnis - zunächst nur
von der Kultur, wobei der Begriff auf dem deutschen Idealismus und der Romantik
basierte. Kulturtheorien jedoch, die sich besonders stark an Ausgangsmaximen
von Einzelwissenschaften orientierten (so z. B. der Darwinismus oder die
Wirtschaftswissenschaften und Naturwissenschaften, die positivistische
Psychologie und Psychoanalyse) waren das Ergebnis des Niedergangs des deutschen
Idealismus. Bei dieser Betrachtung von unten fehlt es heute an einer Verbindung
von philosophischen Reflexionen und empirischem Wissen über Kulturen.
Die Grundbedeutung von Kultur gibt es
heute noch im agronomischen Sprachgebrauch, z. B. Baum- und Pflanzenkultur. Als
Gegenbegriff zur Kultur kann die Natur angesehen werden, wenn man von einer
grundlegenden Definition ausgeht, daß Kultur das ist, was auf der Basis natürlicher
Vorgegebenheiten in Pflege genommen, gezüchtet und gebildet wird und werden
muß. Weiterführend muß Kultur mit Cicero und Horaz (cultura animi) als Pflege
und Ausbildung des Geistes bezeichnet werden. Hegel unterscheidet einen
subjektiven, objektiven und absoluten Geist, wobei sich der subjektive Geist im
einzelnen Menschen, der objektive Geist in den Gemeinschaftsformen der Menschen
und der Geschichte verwirklicht, und der absolute Geist (auch als Weltgeist
bezeichnet) sich in dem allgemeinen Kulturzustand, der Vollendung der Welt,
realisiert (vgl. Düsing 1986).
Soll Identität aus der Kultur
abgeleitet werden, so kann dies herkömmlicherweise innerhalb dreier Bereiche
geschehen.
(1)
Identität durch Wirtschaftskultur: Identität wird in dem Bereich gebildet, in
dem der Mensch als Lebewesen seine materiellen Lebensbedürfnisse mit den
Mitteln der Technik befriedigt, indem er sie als Rohstoffe gewinnt, verarbeitet
und schließlich handelt und verbraucht.
(2)
Identität durch Sozialkultur: Identität entsteht in dem Bereich, der alles
umfaßt, was mit dem Umgang von Menschen mit Menschen zu tun hat.
(3)
Identität durch Geisteskultur: Identität wird in dem Bereich gebildet, der mit
Geisteskultur als Kultur im engeren Sinne (da natürlich alle Kulturbereiche geistig
gestaltet sind) bezeichnet wird.
Die
Identität, die ein Individuum aufrechtzuerhalten sucht (Ich-Identität) und die
es mit anderen Individuen verbindet (kollektive Identität), ist - so z. B. nach
dem amerikanischen Philosophen und Sozialpsychologen George Herbert Mead
(1868-1931) - in besonderer Weise auf sprachliche Darstellung angewiesen. Vor
allem im Medium verbaler Kommunikation, ergänzt durch die Mittel nonverbaler,
z. B. gestischer oder mimischer Symbolorganisation, findet die Diskussion der Situationsinterpretation
und die Auseinandersetzung der gegenseitigen Erwartungen zwischen
Interaktionspartnern statt, in der sich diese Identität behaupten muß. Bis
jetzt galt nur die Sprache - als Komponente, die die prekäre Balance der
Identität zwischen divergierenden Erwartungen aufnehmen kann, die also die
jeweiligen Erwartungen der Interaktionspartner anzeigt und einen Spielraum für
Diskussionen zuläßt, die Widersprüche aufzeigen und erklären kann, aber auch
unlösbare Sachverhalte als lösbar darstellt, die auch über die im Augenblick
erfragten Informationen hinaus weitere, für die Interaktion und Identität
wichtige Informationen einfügt - sowohl der Wahrung einer Ich- als auch einer
kollektiven Identität. Durch die Visualisierung einer virtuellen Welt in
räumlich und zeitlich nicht faßbaren Dimensionen ist jedoch dieser
Identitätsbegriff in Frage gestellt worden.
5.
Kulturvergleich
Anthropologen
gelangten in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts zu der Erkenntnis, daß es
in allen Gesellschaften ähnlich gelagerte Probleme gibt, wobei die
Gesellschaften jedoch unterschiedlich mit ihnen umgehen. Folglich kann der
Umgang mit diesen Problemen als Kriterium für den Vergleich von Kulturen
herangezogen werden. Dies belegten besonders die amerikanischen Anthropologinnen
Ruth Benedict (1887-1948) und Margaret Mead (1901-1978) durch ihre
Untersuchungen (vgl. Hofstede 1991:13). Nun galt es, die universellen Probleme
zu kategorisieren, um die Kriterien für einen Kulturvergleich zu reduzieren.
Der Soziologe Inkeles und der Psychologe Levinson nannten dabei folgende
Problemkategorien:
(1) das Verhältnis zur Obrigkeit, zu
Vorgesetzten,
(2) das Selbstbild, insbesondere
a) das Verhältnis zwischen Individuum und
Gesellschaft und
b) das Bild des Individuums von Maskulinität
und Femininität,
(3) die Konfliktbewältigung einschließlich des
Umgangs mit Aggression und des Ausdrucks von Gefühlen (vgl. Inkeles + Levinson
1969:447ff).
Auch haben
sich viele bedeutende Psychologen und Philosophen auf Grund psychologisch
orientierter Forschungsinteressen mit interkulturellen Problemen befaßt. Einer
der ersten Forscher der modernen experimentell-empirischen Psychologie ist
Wundt (1904), aber auch Freud (1940), Jung (1912) sowie Lazarus + Steinthal
(1882), Thurnwald (1924) und Helpach (1938, 1953) beschäftigten sich mit dieser
Thematik. Unter dem Schlüsselbegriff "Völkerpsychologie" knüpften
diese Autoren direkt oder indirekt an die Überlegungen von Herder (1784) über
das Walten des "Volksgeistes" an, in dem er die besondere
schöpferische und vereinigende Quelle der historischen Entwicklung
verschiedener Völker vermutete. So unternahm die Völkerpsychologie den Versuch,
in den von Menschen geschaffenen Kulturprodukten das eigentlich kreative
psychische Potential ganzer Volksgemeinschaften zu sehen. Wundt konzipierte die
Völkerpsychologie als eine Erweiterung seiner Individualpsychologie.
Für eine kulturpsychologische
Forschung, die sich mit der Analyse interkultureller Austauschprozesse befaßt,
ergeben sich folgende Aufgaben:
(1) die Identifikation handlungswirksamer
Merkmale des jeweiligen kulturspezifischen Orientierungssystems,
(2) die Erfassung von Unterschieden,
Gemeinsamkeiten und Kompatibilitäten zwischen verschiedenen
Orientierungssystemen,
(3) die Entwicklung und Erprobung von Lernverfahren,
die eine Übernahme fremdkultureller Orientierungssysteme in das eigene
Handlungsschema ermöglichen.
Zentrale
Merkmale des kulturspezifischen Orientierungssystems lassen sich als sogenannte
"Kulturstandards" definieren. Unter Kulturstandards werden alle Arten
des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von der Mehrzahl
der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich selbst und andere als normal,
selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und
fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und
reguliert. Als zentrale Kulturstandards sind solche zu bezeichnen, die in sehr
unterschiedlichen Situationen wirksam werden und weite Bereiche der
Wahrnehmung, des Denkens, Wertens und Handelns regeln und die insbesondere für
die Steuerung der Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Handlungsprozesse zwischen
Personen bedeutsam sind. Kulturstandards sind hierarchisch strukturiert und
miteinander verbunden. Sie können auf verschiedenen Abstraktionsebenen von
allgemeinen Werten bis hin zu sehr spezifischen verbindlichen
Verhaltensvorschriften definiert werden. Zentrale Kulturstandards einer Kultur
können in einer anderen Kultur völlig fehlen oder nur von peripherer Bedeutung
sein. Verschiedene Kulturen können über ähnliche Kulturstandards verfügen, die
aber jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen, in unterschiedlichen
Handlungsfeldern wirksam werden und unterschiedlich weite Toleranzbereiche
aufweisen.
Die über Generationen hinweg
ausgebildeten spezifischen Bewertungs- und Verhaltensstandards
(Kulturstandards) stehen für eine Auffassung von Kultur als einem spezifischen
Orientierungssystem.
Mit der Verhaltensbeobachtung ist
zugleich eine Ursachenzuschreibung (Kausalattribuierung) oder die Zuschreibung
eines oder mehrerer Handlungsziele (Finalattribuierung) verbunden.
Wahrnehmungs- und Attributionsprozeß sind so eng miteinander gekoppelt, daß sie
im Erleben eine Einheit bilden. Erst das Zusammenspiel von Wahrnehmung
(Perzeption), Informationsverarbeitung (Kognition) - z. B. in Form der
Aktivierung kognitiver Schemata, Skripts, Prototypen - und Attribution
ermöglicht eine sinnvolle Umwelterfahrung und -orientierung (vgl. Markus +
Zajonc 1985). Wie eine Person wahrgenommen, wie ihr Verhalten bewertet und
welche Bedeutung ihr zuerkannt wird, ist abhängig von zentralen Kulturstandards
als Maßstäben zur Bewertungs- und Bedeutungszuschreibung.
Interkulturelles Handeln findet in
kulturellen Überschneidungssituationen statt, in denen Menschen aus verschiedenen
Kulturen darauf angewiesen sind, durch Interaktion miteinander ihre
Handlungsziele zu erreichen. Zur Vermeidung kulturell unangepaßten Handelns und
daraus resultierender Handlungsstörungen bedarf es einer Veränderung und
Erweiterung des eigenkulturellen Orientierungssystems in Richtung auf das
fremdkulturelle Orientierungssystem.
6. Variablen
zur Hypothesenüberprüfung
Um
Interkulturalität, d. h. Kulturunterschiede mit der Tendenz zur
Regionalisierung bzw. Globalisierung, nun im Internet empirisch erfassen zu
können, muß dies auf einer kulturübergreifenden vergleichbaren Datenbasis
geschehen. Die WWW-Seiten, die unsere Grundlage für den Vergleich und die
Überprüfung der eingangs erhobenen These und Antithese darstellen, mußten von
Usern mit vergleichbarer Bildungsschicht und sozialem Umfeld erstellt worden
sein, die gleiche Thematik als Inhalt, Motto oder Thema aufweisen sowie die
gleiche Funktionalität erfüllen bzw. für die gleiche Zielgruppe konzipiert
worden sein.
Hierzu wurden WWW-Seiten ausgewählt,
die in den einzelnen Ländern Großstädte, offizielle Präsentationen der
einzelnen Regierungen, der Universitäten und Fußballvereine sowie Fan-Pages, z.
B. von Michael Jackson, Prinzessin Diana und Monica Levinsky, repräsentieren.
Auch Touristik-Präsentationen scheinen uns eine sinnvolle Datenbasis zu sein,
um z. B. die virtuelle Dimension von lokaler und globaler Identität zu erheben.
Eine weitere Untersuchungseinheit
werden die länderspezifischen Suchmaschinen darstellen. Ihnen liegen oftmals
unterschiedliche Kategoriensysteme zugrunde. Teilweise werden auch die
einzelnen Seiten mit einem prozentualen Frequentierungsindex versehen. Hier
lassen sich kulturspezifische Werte einzelner Thematiken messen.
Die pro WWW-Seite zu erhebenden
Variablen können in folgende Gruppen gegliedert werden:
Seitenstruktur
Frames:
Anzahl
Buttons oder
Image-Maps: Anzahl
Visuelle
Wahrnehmung: Seite sofort sichtbar, ohne zu scrollen
Ladevorgang:
schnell/langsam
Kontextinformationen
vorhanden: ja/nein
Dialogorientierung/
Interaktive Elemente
Text-Hyperlinks:
Anzahl
Graphik-Hyperlinks:
Anzahl
E-mail als
Adresse: ja/nein
E-mail als
Link/Graphik: ja/nein
Diskussionsforen:
Anzahl
Chat-Räume:
Anzahl
Gästebuch:
ja/nein
Gästebuch:
Aufforderung mit Signierungscharakter: ja/nein
Gästebuch:
Aufforderung zu kritischen Äußerungen: ja/nein
Call-me-back-Button
Spiele/Gewinnspiele:
ja/nein
Suchfunktion
innerhalb des WWW-Site: ja/nein
Kontaktwahrscheinlichkeit
Anzahl der
Links von WWW-Seiten auf die eigenen Seiten
Informationstiefe
vertiefender
Text oder Original-Quellen durch Hyperlinks: ja/nein
Service
Surftips:
ja/nein
News:
ja/nein
Download von
Dateien: ja/nein
Organisationsprofil
Logo:
ja/nein
Überschriften:
Schriftgröße/Farbe
Überschriften:
Individuell orientiert: ja/nein
Überschriften:
Institutionell orientiert: ja/nein
Überschriften:
%Anteil der Überschrift an der Seite
Überschriften:
Siegel/Wappen: ja/nein
Werbung
durch Banner: Anzahl
Werbung
durch Text: Anzahl der Einheiten
Werbung
durch Links: Anzahl
Kommerzielle
Werbung: Bereiche
Layout der
Seite
Schriftart
(Verwendung einer oder verschiedener Schriftarten)
Farbeffekte:
farbige Textteile zur besseren Unterscheidung
Farbe des
Textes
Schriftgröße
des Haupttextes
Farbe der
Links
Farbe der
V-Links
Slogans:
wiederkehrende Slogans auf derselben Seite
Meta-Informationen
Programm zur
Erstellung/Konvertierung der Seite
Erstellt
durch Medienagentur/Kollektiv/Einzelperson
Erstellt
durch eigene Mitarbeiter
Titel in
Kopfzeile
Stichwörter
(Welche, Anzahl)
Kurzfassung (description)
Aktualisierungszeitraum
bei Suchmaschinen
Design-technische
Faktoren
Ladezeitenverzögerung
durch große Grafiken
Anzahl von
Grafikelementen (keine animierten Grafiken)
Geschätzter
Anteil der Grafik in %
Anzahl der
animierten Grafiken (Grafiken, die ihr Aussehen in regelmäßigem Abstand ändern,
wechselnde Buttons/Links)
Soundeffekte:
ja/nein
Videoeffekte:
ja/nein
Plug-ins:
ja/nein
Javascripte:
ja/nein
Javaeinblendungen
(laufender Text in Textzeile): ja/nein
Sprache
main-page:
in der Landessprache
main-page
zusätzlich auf Englisch
main-page:
dialektale Einflüsse
Umschaltung
in die Landessprache möglich: ja/nein
Umschaltung
in andere Sprachen möglich: welche?
Hinweis auf
Übersetzer/Name: ja/nein
Qualität der
übersetzten (vorhandenen) Eingangseite
Qualität der
automatischen Übersetzung (Systran) Landessprache ® Deutsch, Landessprache ®
Englisch
Aktualität/aktualitätsvermittelnde
Elemente
Counter
(Zähler): ja/nein
Update-Datum:
ja/nein
Aktuelle
Datums- und/oder Uhrzeitanzeige: ja/nein
Aktuelle Zeitberechnungen
(z.B. bis zum Jahr 2000)
Verantwortlicher
der Seite: Institution/Person
Hintergrund:
Farbe:
welche?
Grafik:
ja/nein
Foto:
ja/nein
Textualität:
Informationsüberblick:
ja/nein
Art der
Informationsdarstellung (detailliert, humoristisch etc.)
Textsorte:
welche?
Eigenschaften:
verspielt, seriös, sachlich, technisch, kritisch, informativ, hierarchisch,
dezent-aufdringlich, langweilig-aufregend, ruhig, statisch, bewegt
Hinweise auf
regionale Institutionen, die mit der Überschrift direkt nichts zu tun haben:
ja/nein
Hinweise auf
regionale Besonderheiten, die mit der Seite im engen Zusammenhang stehen:
ja/nein
Erkennbare
soziale Distanz zu Untergebenen: ja/nein
Hinweise auf
Termine/Öffnungszeiten (genaue Angaben): ja/nein
Termin-/Veranstaltungskalender:
ja/nein
Virtualität
Hervorhebung
von realen Informationen
Anzahl von
nicht zur Konkretisierung des Inhaltes beitragenden Elementen
Fließende
Übergänge von Graphik-Einblendungen
Starre/eckige/runde
Abgrenzungen von Graphik
Einbinden
von virtuellen Persönlichkeiten
Reputation
Hervorhebung
von akademischen Titeln: ja/nein
Hervorhebung
von verliehenen Titeln: ja/nein
Hervorhebung
von Auszeichnungen/Preisen: ja/nein
Zugehörigkeiten
zu Gruppen/Parteien/Vereinen/Berufsgenossenschaften
Persönliches
Foto/Gruppenfoto
Schaltmöglichkeiten
Vorwärts-Orientierung:
ja/nein
Rückwärts-Orientierung:
ja/nein
7. Kultur
als erklärende Variable
Zur
Differenzierung der Daten und Überprüfung unserer Hypothesen können
interkulturelle Variablen des Klassifikationsschemas von Hofstede (1980) mit
einbezogen werden: Hofstede hatte zwischen sozialer Distanz (power-distance),
Kollektivismus vs. Individualismus (collectivism versus individualism),
Femininität vs. Maskulinität (femininity versus masculinity) und Grad der Unsicherheitsvermeidung
(uncertainty avoidance) unterschieden.
Diesen vier Dimensionen fügte er noch
eine fünfte Dimension hinzu: Langzeitorientierung im Leben vs.
Kurzzeitorientierung (long-term orientation in life versus short-term
orientation).
Die soziale Distanz (power-distance)
wird als das Verhältnis zwischen Untergebenen und ihren Vorgesetzten erfaßt,
zwischen Kindern und ihren Eltern oder zwischen Schülern und ihren Lehrern. Aus
den Untersuchungen geht dabei hervor, daß eine relativ große Distanz zwischen
Vorgesetzten und Untergebenen in den lateinamerikanischen Ländern, Asien,
Frankreich und Spanien zu finden ist. Hier sollen sich die Untergebenen
widerspruchslos fügen, die Vorgesetzten verkehren nicht mit ihren Untergebenen
und verhalten sich paternalistisch und autokratisch. In den USA, Großbritannien
und den meisten anderen europäischen Ländern dagegen sowie in Neuseeland und
Israel herrscht geringe soziale Distanz.
Soziale Distanz kann sich auf
WWW-Seiten z. B. dadurch bemerkbar machen, ob und wie Untergebene oder sozial
hierarchisch tiefer Gestellte in die Seiten integriert werden. So kann z. B.
bei Homepages von Universitäten anhand der Darstellung der Inhalte untersucht
werden, worin das vorrangige Ziel der Präsentation liegt, ob Kommunikations-
bzw. Kontaktmöglichkeiten gegeben sind, ob gegebenenfalls durch einen Link
explizit auf Homepages von Mitarbeitern und/oder Studierenden - sofern
vorhanden - hingewiesen wird. Auch das "Größenverhältnis" der
Darstellungen von Titel, Institutionsbezeichnung und Universitätssiegel im
Vergleich zum Text geben Aufschluß über soziale Distanz.
Unter Kollektivismus versus
Individualismus versteht man die Ausprägung von Gemeinschaftsdenken bzw.
Einzelkämpfermentalität. In individualistisch ausgeprägten Kulturen wird das
eigene Vorankommen der Loyalität gegenüber der Gruppe oder dem Arbeitgeber
Vorrang gegeben. Zu den hochbewerteten Idealen gehören Freizeit, Freiheit in
der Gestaltung des Arbeitsablaufes und die persönliche Herausforderung und
klare Äußerung der eigenen Meinung. Gibt es z. B. - um beim Fall
Universitäts-Homepage zu bleiben - eine Dozentenbibliographie? Enthält diese
"alle" entsprechenden Arbeiten oder ist sie z. B auf die
Veröffentlichungen bestimmter Personengruppen (nur Professoren und habilitierte
Mitabeiter) beschränkt?
Femininität vs. Maskulinität:
Berufliche Ziele unterscheiden sich kulturell bei Männern und Frauen. Höhe des
Gehalts, Anerkennung für erbrachte Leistungen, Aufstiegschancen und persönliche
Herausforderungen werden als männlich bewertet, wohingegen für Frauen ein gutes
Arbeitsverhältnis mit ihren Vorgesetzten, gute Zusammenarbeit, ein Wohnort mit
günstigen Lebensbedingungen für die Familie sowie ein sicherer Arbeitsplatz
wichtig sind. Hinweise, nach denen auf der WWW-Seite gesucht werden muß sind z.
B. Titel, verliehene Preise, Auszeichnungen und Mitgliedschaften.
Der Grad der Unsicherheitsvermeidung
erfaßt u. a., wie stark die Angehörigen einer Kultur dazu neigen, ihnen
unbekannte Situationen zu meiden. Alles Fremde und Andersartige wird bei hohem
Grad der Unsicherheitsvermeidung als bedrohlich empfunden. Studierende solcher
Kulturen möchten feste Rahmen vorgezeichnet bekommen und erwarten z. B. vom
Dozenten klare Lösungen für alle Probleme. Im WWW können hier klare Anweisungen
für das Studium mit Strukturvorgaben angeführt werden. Nonkonformistisches
Verhalten wird abgelehnt, Sicherheit sowie Ansehen werden als motivierende
Faktoren angesehen.
Bei der Komponente Langzeitorientierung
im Leben vs. Kurzzeitorientierung geht es um die unterschiedlichen
Wertvorstellungen von Kulturen. In langzeitorientierten (zukunftsorientierten,
dynamischen) Kulturen, wie China, Hongkong, Taiwan, Japan und Indien, sind
Ausdauer und Disziplin, Fügung in soziale Hierarchien, Sparsamkeit und Schamgefühl
geschätzte Werte. In den kurzzeitorientierten (vergangenheits- und
gegenwartsorientierten, statischen) Kulturen wie Pakistan, den Philippinen,
Kanada, Großbritannien, den USA und Deutschland werden Ausgeglichenheit und
Stabilität, Tradition und Gegenleistungen hochgehalten. Semantische oder
visuelle Elemente dieser Eigenschaften sind ebenfalls im WWW zu
operationalisieren.
Weitere Unterscheidungen lassen sich
nach Hall + Hall (1989) darstellen: Die wesentlichen Variablen zum Aufzeigen
kultureller Unterschiede sind: Zeitplanung (time), Informationsfluß und
Verbalisierungsgrad (context), Geschwindigkeit der Informationsübermittlung
(fast vs. slow messages) sowie räumliches Verhalten (space). Wie lassen sich
diese Variablen bei der Beurteilung von Kulturunterschieden im Internet
faktisch erfassen? Gibt es über die Eingangsseite eine direkte Möglichkeit,
Kontakte mit der Führungsspitze aufzunehmen?
In bezug auf Zeitplanung wird in diesem
Zusammenhang zwischen monochronen (monochronic) und polychronen (polychronic)
Kulturen unterschieden. In monochronen Kulturen werden feste Zeitpläne
erstellt, Termine genau eingehalten; man konzentriert sich stets nur auf eine
Aufgabe und erledigt die Dinge nacheinander.
Dagegen werden in polychronen Kulturen,
wie Frankreich und Spanien, Termine nicht als unverschiebbare Eckpunkte
betrachtet, sondern eher als ungefähre Richtwerte. Persönliche Kontakte zu
pflegen sowie im Gange befindliche Transaktionen mit Partnern zu einem Abschluß
zu bringen haben Vorrang. Bei der Beurteilung der WWW-Seiten muß nun untersucht
werden, ob entsprechende Faktoren auf den Seiten zu finden sind. Werden klare
Zeitangaben gemacht, um bestimmte Dinge zu ermöglichen? Stehen diese im
Vordergrund oder gleich auf einer der nächsten verlinkten Seiten?
Eine weitere Unterscheidung in diesem
Zusammenhang ist die Einteilung in High-context-Kulturen und
Low-context-Kulturen.
High-context-Kulturen sind dadurch
gekennzeichnet, daß in ihnen miteinander in Kontakt stehende Personen
untereinander extensive Informationsnetze aufbauen und es so zu einem regen
Informationsaustausch zwischen ihnen kommt. High-context-Kulturen sind in der
Regel auch polychron. Die Chancen, angeforderte Informationen zu bekommen, sind
in High-context-Kulturen größer, wenn man mit den potentiellen Informanten
persönlichen Kontakt aufnimmt, als wenn man dies postalisch oder per Telefon
bewerkstelligt.
In Low-context-Kulturen wird Wert auf
abgeschirmte Einzelbüros gelegt, wodurch der Informationsfluß gehemmt wird.
Meist sind dies monochrone Kulturen, wie USA, Deutschland, Schweiz und
Finnland. In Low-context-Kulturen wird eine enge Grenze zwischen Privat- und
Geschäftsleben gezogen. Manche Institutionen gehen dazu über, auf ihren Seiten
nur standardisierte Kommunikation durch vorgegebene Skripten zuzulassen. Es
gibt keine Möglichkeit, die Telefonnummer oder gar die Möglichkeit für ein
persönliches Gespräch mit Mitarbeitern zu erfahren. Dies führt auch zur
Unterscheidung von monochronen Kulturen, in denen Informationen so rasch wie
möglich, also sprachökonomisch, übertragen werden, und polychronen Kulturen, in
denen dagegen Wert auf einen gehobenen Stil und Witz gelegt wird.
Nicht nur zwischen dem Zeitverhalten
und dem Informationsfluß sowie dem Verbalisierungsgrad lassen sich
Zusammenhänge herstellen, sondern auch zwischen diesen Variablen und dem
räumlichen Verhalten. In monochronen Low-context-Kulturen ist z. B. die
Firmenleitung in der Regel in der obersten Etage, der Chefetage, zu finden. Die
Chefs arbeiten dort in Einzelbüros und werden oft von einer Sekretärin im
Vorzimmer von unerwünschten Unterbrechungen abgeschirmt, wodurch der
Informationsfluß behindert wird.
In einer polychronen
High-context-Kultur ist das Führungspersonal in der Regel in der Mitte
angesiedelt und wird nicht von Mitarbeitern abgeschirmt. In bezug auf das
Internet ist in diesem Zusammenhang u. a. der Frage nachzugehen, ob über die
WWW-Seite der ungehinderte Zugang zum Führungspersonal überhaupt möglich ist.
Einzuordnen sind auch persönliche
Darstellungen von Fotos auf WWW-Seiten. Haben sie die Funktion der Minimierung
sozialer Distanz oder dienen sie der individuellen Profilierung?
8.
Schlußbemerkung
Es wird hier
aus einer laufenden Untersuchung berichtet, deren Konzeption und theoretischer Hintergrund
aufgezeigt und zur Diskussion gestellt werden sollte. Weder erhebt die
Untersuchung durch eine neue Theoriebildung einen Anspruch auf
Allgemeingültigkeit, noch ist sie verschlossen für neue Theoriebeiträge. Auf
Grund des Facettenreichtums der zu untersuchenden Variablen und der Komplexität
des Untersuchungsumfanges wird sie sich noch über einen längeren Zeitraum
erstrecken. Da die theoretischen Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen sind, muß
die Evaluation weiterer Faktoren virtueller Gemeinschaften wegen des raschen
Transformationsprozesses im Cyberspace relativ variabel gehandhabt werden. Auch
die eingangs gestellte Frage nach der Rolle und Funktion des Übersetzers von
WWW-Seiten muß noch aus handlungstheoretischer Sicht untersucht werden. Zuletzt
ist die Frage nach der Globalisierung bzw. Regionalisierung zu beantworten und
zu klären, inwieweit unterschiedliche kulturelle Einflüsse hierfür
ausschlaggebend sind.
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Dr. Helmuth
Sagawe, Institut für Übersetzen und Dolmetschen, Universität Heidelberg, Plöck
57a, D-69115 Heidelberg, Deutschland
Anmerkungen:
1 Das Projekt wurde vom Interdisziplinären
Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg (IWR)
unterstützt.
2 Stand 1. September 1999, recherchiert
durch: www.altavista.de. Am 15. Februar 1999 waren nur 232 Seiten zu diesem
Thema vorhanden.
3 Ein
Beispiel für die 'Anpassung' der Kommunikationsmarker an die Maschine liefern
auch automatische Übersetzungssysteme. So wurde beobachtet, daß Gespräche, die
z. B. über das maschinelle Dolmetschsystem Verbmobil gedolmetscht wurden, bei
den Gesprächspartnern die Tendenz zu syntaktischer Vereinfachung in der
Kommunikation auslösten (vgl. Apfelbaum + Wadensjö 1997).