"Mensch Computer!"

von

Helmuth Sagawe

Der Mensch und die Anthropomorphose des Computers

Schon heute ist der Computer in viele Lebensbereiche des Menschen eingedrungen, er hat Routinearbeiten übernommen und den Arbeiter von manch lästiger Tätigkeit befreit. Er ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Wir akzeptieren ihn als hilfreichen aber auch als bedrohlichen "Partner". Die Werbemanager präsentieren ihn meist als intelligentes Wesen und als freundlichen Beschützer, ohne den der Mensch nicht mehr auskommen kann. Welches Verhältnis besteht aber nun wirklich zwischen Mensch und Computer? Ist die "intelligente Maschine" aufgrund ihrer immer wieder dargestellten vermeintlich menschlichen Eigenschaften zum "Partner" oder gar "Ebenbild" des Menschen geworden? Dieser Frage ist Helmuth Sagawe, Sozialwissenschaftler und Dozent für Linguistische Datenverarbeitung am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Universität Heidelberg, im Rahmen einer größeren Untersuchung über die "Mensch-Maschine-Kommunikation", nachgegangen.


Historiker, Paläontologen und Ethnologen zitieren gerne technische Errungenschaften als Markierungen der Menschwerdung: erst durch das künstlich entzündete Feuer entstand die menschliche Kultur, mit der Erfindung des Rades begann das technische Zeitalter. Ist nun durch die Erfindung des Computers eine weitere Stufe der "Menschwerdung" erklommen worden?

Zweifelsohne scheint das Wesen des Menschen durch technische Errungenschaften konstituiert zu sein, jedoch muss auch überlegt werden, ob nicht darüber hinaus die Technik zum festen Bestandteil des Menschen geworden ist. Nehmen wir dies an, so stellt sich die Frage, welche Art von Verbindung beide eingegangen sind. Der Philosoph und Soziologe Arnold Gehlen erklärte solche Beziehungen durch Organmängel, die den Menschen zwingen, technische Hilfsmittel zu verwenden, da er sonst zu schwach zum Überleben sei.[1] Organersatz, Organverstärkung und Organausschaltung gehören nach Gehlen zur Natur des Menschen, welcher als ein kulturelles Wesen in seiner Umwelt überleben muss.

Bleibt man bei dieser Anschauung, daß Technik (als Organersatz) dem Menschen eigen ist, so darf man jenes menschliche Organ nicht vergessen, welches wir Gehirn nennen und das den Organersatz koordiniert. Dieses koordinierende Gehirn durch "Künstliche Intelligenz" (KI) ersetzen zu wollen, scheint jedoch prinzipiell problematisch zu sein, da die KI nicht als "normale" Technik aufzufassen ist und sich nicht ohne weiteres unter das Zeitalter "Technik" subsumieren lässt.

Was ist nun aber das Neue, das Originäre an der "Künstlichen Intelligenz", die dem Computer bzw. den Rechenmaschinen innewohnt?

Maschinen sind bekanntlich dumm, können nur zählen und zwei Zustände unterscheiden. Neu ist aber der Schein der Selbständigkeit. Durch ein vorher vom Menschen eingegebenes Programm, das bei der Bedienung nicht aktualisiert werden kann - außer von einigen Spezialisten - und auch bei der Anwendung nicht rekonstruierbar ist, arbeitet diese Maschine nicht nur als ein bloßes Werkzeug, sondern erscheint dem Bediener "tendenziell auch als ein Gegenüber".[2] Somit sind die Grenzen zwischen Sozialkontakten und Kontakten zu einer Maschine nicht mehr eindeutig bestimmbar.[3]

Die Simulation einer menschlichen Tätigkeit ist für uns nichts Neues, dass eine Maschine jedoch das Denken oder Teile davon übernimmt, sollte ein erster Ansatzpunkt dafür sein, psychische und soziale Probleme, die beim Umgang mit dem Computer auftreten können, zu erfassen. Fragen, ob Maschinen Einfluß auf unser Denken haben und über uns bestimmen können, haben sich innerhalb der Diskussion um die künstliche Intelligenz auf die Frage reduziert, ob Maschinen eines Tages wie Menschen denken werden, d.h. ob die Menschen Vorbilder der Maschinen sein sollen. Experimentelle Untersuchungen mit Bio-Chips, ultrakleinen elektronischen Bauteilen, die in den menschlichen Körper eingepflanzt werden und untüchtige und deformierte Sinnesorgane und Nervenstränge im menschlichen Gehirn ersetzen können, berechtigen zu solchen Fragestellungen.[4] Wegen möglicher sozialer und kultureller Einflüsse dieser neuen Techniken kann sich aber die umgekehrte Frage stellen, nämlich, ob die Menschen nicht schon immer so gedacht haben wie die Maschinen? Sollte sich dies bestätigen, so dürfte es wohl die wichtigste anthropologische Aussage sein, die bis heute jemals gemacht wurde.

Kommunikation Mensch-Maschine als "Denkleistung"

Bis auf wenige Ansätze, die die künstliche Intelligenz in ein Erklärungsmodell für die Mensch-Maschine-Kommunikation miteinbeziehen, wird kaum über differentielles Denken von Mensch und Maschine nachgedacht.

Was ist aber zunächst einmal "menschliches Denken", kann eine Maschine überhaupt diese Funktionen wahrnehmen? Situationen, in denen wir nicht nach Instinkt oder erlernten Verhaltensweisen handeln, sondern in denen wir in unserem Tun innehalten, um in einem bestimmten Rahmen die weitere Vorgehensweise zu überlegen, bezeichnen wir allgemein als Denken. Hier werden Vor- und Nachteile abgewogen. Unter diesem Verhaltensaspekt wird solch eine Situation durch folgende Merkmale charakterisiert: Ein Hindernis, das die ererbten oder gewohnten Vollzüge unmöglich macht; eine konfliktbedingte Pause und eine mehr oder minder erfolgreiche Lösung, die gelegentlich auch darin bestehen kann, daß man 'aus dem Felde geht', d.h. daß man auf die Überwindung des Hindernisses verzichtet, und sich unter Umständen mit einer wunscherfüllenden Phantasie zufriedengibt. Bei positiven Lösungen kommt es entweder zur Überwindung des Hindernisses oder zu dessen Umgehung.[5] Nach Freud gibt es mindestens vier Unterschiede, die Erlangung eines Zieles durch eine Orientierungspause also eine Phase der Besinnung aufzuschieben, d.h. "die erhöhte Reizspannung während des Aufschubes"6 zu ertragen, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren. Es gibt dabei Unterschiede im Verhalten einzelner Individuen und in ihrer jeweiligen psychischen Verfassung, die sich z.B. in einem differenzierten Grad von Aufregung ausdrückt, und es gibt Unterschiede zwischen Bedürfnissen verschiedener Dringlichkeiten. Dieses während einer Orientierungsphase stattfindende Probehandeln ist Gegenstand der Denkpsychologie. Innerhalb ihrer stieß die Motorische Theorie des Denkens auf große Schwierigkeiten, da entscheidende seelische Vorgänge nur zum geringen Teil an die Peripherie der Persönlichkeit gelangen bzw. beobachtet werden können und im Zentralorgan verborgen bleiben. Ebenso erbrachte der Versuch eines Nachweises motorischer Abläufe an den Sprechorganen (z.B. bei Messung der Stimmfrequenzen) keine eindeutigen Ergebnisse.

Das Denken oder besser gesagt, der Ablauf der Gedanken findet jedoch in einem Raume statt, der nicht die Dinge selbst enthält, sondern sich mit deren Repräsentationen befaßt. So sagte Aristoteles: "Für die Denkseele treten die Vorstellungen an die Stelle der Inhalte der sinnlichen Wahrnehmung"[7], woran sich nahezu die gesamte ältere Psychologie orientierte, indem sie das Denken als eine Verbindung von Vorstellungen (Assoziationen) auffasse und Vorstellungen als wahrnehmungsähnliche anschauliche Gegebenheiten bzw. Phantasmen ansah.

Ein Großteil des Denkens bewegt sich im Medium sprachlicher Repräsentationen. Demnach steht der Sprache ein Reservoir von Denkformeln zur Verfügung und benutzt mehr oder minder scharf umrissene Begriffe.

Die in neuerer Zeit sehr stark beachtete Theorie, dass Denken und Sprechen miteinander identisch seien, geht allerdings schon auf Platon zurück, wobei man jedoch den Einwand berücksichtigen muß, daß bei Manifestationen von Sprachstörungen nicht auch die Denkfähigkeit beeinflusst sein muss. Auch besitzt Sprache (als parole) eine lineare Folgeordnung, z.B. kommt das Prädikat in der Regel nach dem Subjekt, wohingegen beim Denken beide gleichzeitig auftreten können. Trotzdem läßt sich nicht bestreiten, dass im Normalfall das gedankliche Probehandeln zumindest beim Erwachsenen im Medium der Sprache erfolgt und die Entwicklung des Denkens auf das engste mit der Sprache verbunden ist. Auf dieser Theorie bauen heute die meisten Intelligenztests auf, da die aktuelle Ausübung der Fähigkeit des Denkens als Intelligenz bezeichnet wird und sich über die Eigenheiten der Sprache wie Wortschatz, Satzbau, Komplexität grammatikalischer Konstruktionen usw. ausdrückt. Sprache wird somit als Ausdruck des Denkens angesehen und ist daher zu einer wichtigen Persönlichkeitsdimension geworden.

Zum Bereich des menschlichen Denkens gehören aber nicht nur Erkenntnisziele in rational-konzeptionellen Schemata, sondern auch die Organisation von Sozialkontakten, die in vielfältiger Weise zu regeln sind, einschließlich der Gefühle und Wünsche.

Welchen Einfluß hat nun aber eine mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Maschine auf die Psyche des Menschen? Offenbar kommen der Mensch-Maschine-Verbindung die latent in der menschlichen Psyche vorhandenen Wünsche nach Steuerbarkeit, Beherrschbarkeit, Regelhaftigkeit, Störungsfreiheit und absoluter Kontrollierbarkeit der Umwelt entgegen. Verändert aber die Computerisierung der Kultur und Zivilisation auch die Umwelt? Wird wiederum dadurch als Ausdruck im Umgang mit elektronischen Informationssystemen (expert systems) auch das Denken formalisiert und mechanisiert?

Der Begriff des "mechanischen Denkens", auf den Pflüger und Schurz in der Untersuchung "Der maschinelle Charakter"8 hinweisen und den sie als Grundlage für sozialpsychologische Aspekte beim Umgang mit Computern verwenden, ist für Überlegungen zum Thema Mensch-Maschine-Beziehung von großer Bedeutung. Im Vordergrund steht bei Pflüger und Schurz die Frage, ob sich die Anpassung an die "Denkweise" der Maschinen auf die ganze Persönlichkeit erstrecke, so dass von einem "mechanischen Denken" gesprochen werden könne. In ihren empirischen Untersuchungen zeigte sich, daß jener, der gerne am Computer arbeitet, nicht gerne diskutiert, den Umgang mit seinen Mitmenschen eher scheut, sie für kompliziert hält, sich weniger politisch und sozial engagiert und seine Freizeit am liebsten vor dem Fernseher verbringt.

Männer hielten den Computer für zuverlässiger, als dies Frauen taten. Sie dachten bei Pannen eher an menschliches Versagen als an technische Fehler. Eine subjektiv erfragte Geschlechtsbestimmung des Computers ergab, daß Männer den Computer eher als männlich, Frauen dagegen ihn eher als weiblich empfanden. Jene Frauen, die den Computer als männlich erlebten, misstrauten ihm sehr stark und empfanden ihn als etwas Böses. "Hierin könnte ein Schlüssel für das Verhältnis der Vorbehalte vieler Frauen gegenüber den neuen Technologien liegen, wenn selbst jene, die den Computer zu ihrem Beruf gemacht haben, ihn offenbar nur akzeptieren können, indem sie ihm weibliche Eigenschaften zuschreiben"9.

In ihrer Privatsphäre wählen die Computer-Fans ihre Bekannten nach festen Kriterien aus und neigen dazu, ihre Sinnlichkeit zu reglementieren. Generell, so behaupten Pflüger und Schurz, gehe das Systemdenken auf Kosten von Intuition und Geselligkeit. Computer-Fans seien gehemmt, hätten Furcht vor dem anderen Geschlecht und glaubten, dass im Zweifelsfalle eher der Computer als man selbst recht habe.

Das "mechanische Denken" wird nicht nur bei der Arbeit am Computer, beim Programmieren gefordert, wo der Programmierer sich in festen Denkschemata bewegen muß, sondern es gibt inzwischen auch Programme für den Anwender, die ihn "beim Denken" unterstützen. "Der Computer macht es möglich: Ideen können in kurzer Zeit entwickelt werden. Das Programm nennt sich Quickstorming"10. Es wird angepriesen als Denkbeschleuniger zur Entwicklung von Marktanalysen, neuen Produkten oder Dienstleistungen, neuen Plänen, Konzepten, Strategien, Entwürfen, Prospekten oder Vorträgen, Publikationen, argumentativ schwierigen Briefen und für viele andere kreative Prozesse. Innerhalb eines Schnelldenk-Prozesses sollen das kreative Denken erleichtert, komplizierte Probleme gelöst und die Entwicklung von unternehmerischen Schwerpunktthemen sowohl im Team als auch im Alleingang gefördert werden. Hans Morawa, der Erfinder des Programms, stellt dies als eigentlich simpel aber wirtschaftlich dar: "Kreativitätsprozesse werden vom Computer begleitet. Der Computer bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Ideen-Datenbanken aufzubauen, auf die während des Denkprozesses immer wieder zurückgegriffen werden kann."[11] Grundgedanke für Quickstorming ist die Annahme, daß die besten Ideen immer unter Zeitdruck entwickelt werden. Morawa verweist dabei auf das Tempo des innovativen Denkens von Theodore H. Maimann, dem Erfinder des Lasers. Dieser benötigte von der Problemstellung im Jahre 1959 bis zur Zündung des ersten Laserstrahls nur neun Monate. Ursache der Schnelligkeit beim Denken ist nach Maimann eine besondere Konzentration und Motivation. Das Programm arbeitet zeitintensiv und löst Probleme durch intensivere Nutzung der Zeit, da der Zeitfaktor bei Innovationsprozessen in der Regel falsch eingeschätzt wird. Die einzelnen Denkschritte werden dabei durch Archetypen gefördert. Es handelt sich um vorstellbare Grundmuster, also um 'Urbilder' und nicht um naturalistische Bilder. Diese können als 'unsichtbare Bilder' (Images oder Visions) bezeichnet werden, die praktisch vor das innere Auge des Menschens gezwungen werden. Quickstorming ist damit auch ein Prozess des Visualisierens.

Laut Hersteller des Programms sollen die Fachleute, wie der leitende Angestellte und der Unternehmer, schneller und effizienter als bisher ihre Problemlösungen erarbeiten. Bis September 1987 partizipierten nach Aussage des in München beheimateten Instituts für Industrie und Wirtschaftsführung inzwischen schon 4000 Firmen mit Quickstorming an den durch Personalcomputern gelenkten Denkprozessen. Offenbar paßt sich die neue Kreativitätstechnik genau einem durch technischen Fortschritt geprägten Zeittrend an. Es werden zwar keine eigene Ideen vom Computer kreiert, dafür aber vorhandene effektiv formalisiert und reglementiert.

Sherry Turkle untersuchte in ihrer semi-empirischen Studie "The second Self"[12] die Erfahrungswelt Jugendlicher beim Umgang mit dem Computer. Sie beobachtete unter entwicklungspsychologischen Fragestellungen amerikanische Kinder und stellte dabei fest, dass das Kind vom Computer vor die Frage gestellt wird, ob es mit etwas Lebendigem zu tun hat oder nur einem toten Spielzeug. Ausgehend von Piaget's Konzept des frühkindlichen Animismus[13] - einer der wichtigsten Lebensabschnitte eines heranwachsenden Kindes, in dem es zu unterscheiden lernt, ob Objekte mit Leben erfüllt sind oder ob es mit toten Gegenständen spielt - kam Turkle zu der Auffassung, im Computerzeitalter sei die autonome Beweglichkeit des Objekts kein Kriterium mehr für Lebendigkeit, sondern es müssten andere Attribute gesucht werden. Kinder sind heute mit hochgradig interaktiven Objekten konfrontiert, die sprechen, Anleitungen geben, spielen, gewinnen und verlieren können. Relevante Kriterien zur Einordnung sind nicht mehr nur physikalischer oder mechanischer Art, sondern psychologischer Natur. Wissen die elektronischen Spielzeuge, was sie tun? Haben sie Gefühle?

Untersucht wurde von Turkle auch das Verhältnis von Jugendlichen zu Video-Games. Hier handelt es sich um die Faszination der Beherrschbarkeit eines Objekts. Der Video-Gamespieler, so Turkle, fühlt sich autonom und frei. Fast wie in einer Psychoanalyse begegnet er seinem Unterbewusstsein, er verliert und vergisst sich in einer imaginären Welt, deren autonomes Subjekt er ist.

Auch Weizenbaum weist darauf hin, dass Videospieler ebenso wie "fanatische" Programmierer der Megalomanie und Omnipotenzphantasien unterliegen.

Ein wesentlicher Schritt bei der Ausbreitung der Mikroelektronik war der Rückgang der Anschaffungspreise für Hardware. Darüber hinaus mußten diese billigen Systeme so geschaffen werden, dass ihr Benutzer sie möglichst ohne Ausbildung zum Programmierer oder Systemanalytiker bedienen konnte.

In der ersten Computergeneration war die Tätigkeit mit der Maschine noch durch voneinander getrennte Mensch-Maschine-Beziehungen gekennzeichnet, d.h. sollte ein Arbeitsergebnis durch einen Computer erzielt werden, so musste erst ein Programmierer darüber informiert werden, was die Maschine berechnen sollte.

Die neuen Technologien machen es heute aber möglich, mit Hilfe von Terminals und intelligenter (einfachster Menu- gesteuerter) Software den einfachen Bürger in den Prozess der Informationsverarbeitung aktiv mit einzubeziehen.

Unter diesem Aspekt kann man drei Stufen der Mensch-Maschine-Beziehung unterscheiden:

1. Früher gab es nur die Mensch-Mensch-Beziehung, um Informationen auszutauschen und zu verarbeiten. Primitive technische Hilfsmittel wie eine Trommel oder später Schreibgeräte unterstützten diese Vorgänge.

2. Danach gab es eine Mensch / Mensch-Maschine Beziehung. Die vom Menschen problematisierten Informationswünsche konnten nur von Fachleuten (Programmierer) gelöst werden. Der einzelne hatte keine direkte Beziehung zur informationsverarbeitenden Maschine.

3. Heute ist der Mensch direkt mit der Maschine als informationsverarbeitendem Partner verbunden.

Auswirkungen der Personal-Informationssysteme

Was derartige Systeme für den Arbeitnehmer bedeuten, wird unter dem Stichwort "Personal-Informationssysteme" von engagierten Wissenschaftlern und Gewerkschaftlern diskutiert. Sie sehen in diesen Anlagen immer mehr ein Mittel zur Steuerung und Kontrolle des Personaleinsatzes. Die Intensität der Arbeit und das Ausmaß der Fremdbestimmung nimmt zu, während gleichzeitig Arbeitskräfte eingespart werden. Die innerbetriebliche Kosten-Nutzen-Rechnung lässt die volkswirtschaftliche Wirkung mit sozialen Kosten anhaltender Arbeitslosigkeit außer Acht.

Durch die Vernetzung der privaten Haushalte werden diese nicht nur als Markt für bürotechnische Artikel erschlossen, sondern sie können auch als Arbeitsort genutzt werden. Somit ist der Arbeitsplatz nicht mehr an den Betrieb gebunden, sondern er kann nach Hause verlagert werden, vor den Bildschirm des Computers, möglicherweise mit einem Bild-Telefon und einem Drucker. Praktisch können Arbeiten so dezentralisiert und dennoch kontrollierbar gemacht werden. Abgesehen von Problemen der Datensicherheit kann solch eine Entwicklung den familiären Frieden gefährden. Disziplin bei der Familie wird notwendig sein, damit die Arbeit störungsfrei abgewickelt werden kann. Der Betrieb wird hierbei als Ort der Kommunikation und sozialer Beziehungen aufgegeben. Die sozialen Errungenschaften unterlaufen den gesetzlich geregelten Schutz für Arbeitnehmer. Tarifregelungen, Mitbestimmung und Arbeitsschutz verlieren an ihrem heutigen Stellenwert. Welchen arbeitsrechtlichen Bestimmungen unterliegen sie? Sind diese Tele-Arbeiter Angestellte oder Selbständige? Für den Arbeitgeber liegen die Vorteile klar auf der Hand: es gehen die Lohn- und Arbeitsplatznebenkosten zurück.

Der Mensch-Maschine-Dialog ersetzt die soziale Kommunikation mit Kollegen und Freunden, die Interaktion mit dem Computer wird die sozialen Verhaltensweisen bestimmen. Somit bilden die Kommunikations-Technologien einen massiven Eingriff in die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen.

Simulation von Realität.

Weltmodelle simulieren die Zukunft, wie z.B. in dem globalen Modell: "Die Grenzen des Wachstums"14. Es wird versucht, durch Formalisierung und Simulation die Folgen politischer Entscheidungen sichtbar zu machen, dabei jedoch übersehen, dass Computer-Realitäten, die ausschließlich auf naturwissenschaftlich orientiertem Denken aufbauen, die Abkapselung der politischen Klasse von sozialen Bewegungen, ihren Motiven und ihrer Sprache nach sich ziehen. Das Effizienzdenken unterliegt der Suggestion der "denkenden Maschine" und das Gefühl für menschliche und soziale Probleme schwindet. Die Computernetze sind die Nervenstränge unseres Zeitalters. Sie liefern Entscheidungsdaten einer formalisierten und auf Bits und Bytes reduzierten Wirklichkeit und geben so ein standardisiertes Abbild unserer Gesellschaft wieder. "Regelhaftigkeit wird zum Prinzip des sozialen Geschehens, und Politik droht, zu einer sozial entleerten Technik zu gerinnen."[15] Es gibt zwar in der Bundesrepublik einen Bundes- und Landesdatenschutz, jedoch stellt er keine demokratische Kontrolle für ein elektronisch zentralisiertes neuartiges Herrschaftswissen dar. Daher werden zwangsläufig obrigkeitsstaatliche Strukturen gestärkt und die informierte politische Elite in ihrem Machtzuwachs begünstigt. Die rechnergestützten "Wahrheiten" sind von niemandem widerlegbar, sie sind zu diffus und komplex, nur noch der Rechner hat einen imaginären Überblick. Das politische Engagement des einzelnen reduziert sich auf "seinen kleinen Kreis", und dies macht sich heute schon in der Rückbesinnung auf kleinräumliche Probleme, wie die Hervorhebung des Heimatgefühls, erhöhte lokale Aktivitäten bei Orts- und Straßenfesten, verbunden mit einer politischen Apathie, bemerkbar. In der großen Politik, wo die Straßen der Zukunft geplant werden, beginnt die Herrschaft des Computers, der sich nicht an demokratische und ethische Grundsätze hält.

Neben der Simulation von ökonomischen und politischen Situationsentscheidungen macht sich ein Trend bemerkbar, nicht nur Entscheidungen durch den Computer herbeizuführen, sondern den Menschen an sich zu simulieren.

"Er ist blond, blauäugig und gutaussehend. Und er hat Persönlichkeit: Max Headroom, neuer, erfolgreicher Fernsehstar in England und den USA, besitzt das gewisse Etwas: Den Charm eines computergenerierten Wesens! Wer Max Headroom ins Gesicht blickt, ist fasziniert. Der erste künstliche Showmaster der Welt sieht fast aus wie ein Mensch, spricht fast wie ein Mensch und zeigt eine Mimik - fast wie ein Mensch."[16

]

Headroom begeistert seine Zuschauer vor allem mit philosophischen Beiträgen zu Themen des Alltags auf den Kanälen "Channel Four" in England und "Home Box Office" in den USA und hat sich dort eine riesige Fan-Gemeinde geschaffen. Er wirkt erstaunlich glaubwürdig, wenn er über menschliche Gefühle spricht. Die Erfindung von Annabel Jankel und Rocky Morton, einem Londoner Video- und Designer-Team, hat den Schauspieler Matt Frewer zum Vorbild. Der Schauspieler wird "stückweise" auf Video aufgenommen und mit umfangreichen Computerprogrammen so verwandelt, daß er mit Computerbefehlen manipulierbar wird. Durch kleine programmierte Fehler - manchmal stottert er etwas oder bewegt sich plötzlich ruckartig nach vorn oder hinten, benutzt falsche Wörter - verliert der Zuschauer die Angst vor dem "technischen Monster: Wen beim Anblick von Max Headroom Ängste beschleichen, wird von seiner Hilflosigkeit entwaffnet."[17]

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