Bis 1991 hatte Microsoft zusammen mit IBM eine neues Betriebssystem OS/2 entwickelt, das leistungsfähiger als DOS ist. Im Januar 1991 zog sich Microsoft von dem Projekt zurück, d. h. es wurde keine Applikationssoftware für diese Plattform geschrieben, und setzte stattdessen auf das hauseigene Betriebssystem Windows. Damit hatte Microsoft sich einen Riesenvorsprung für das Schreiben von Windows-Software gesichert und erzielte einen Rekordabsatz. Das EDV-Programm MS-WORD gibt es also für die Benutzeroberflächen Macintosh, DOS und Windows. Für den Vertrieb im Ausland wird WORD an die entsprechenden Landessprachen angepaßt, d.h. es wird lokalisiert, aber der Markenname wird weltweit beibehalten. Wie schon erwähnt, handelt es sich bei WORD um ein technisches Produkt, für dessen Erwerb sowohl Firmen als auch Privatpersonen interessiert werden sollen.

Aus diesem Grund ist die Werbung eine Mischung aus Konsumwerbung und Werbung für technische Produkte. Die angesprochene Zielgruppe sind Büroleiter, Manager und Privatpersonen, die zu Hause oder beruflich schreiben. Microsoft macht erst im Dezember 1983 nach der ersten Lieferung von WORD für DOS selbständig Werbung. Für WORD für den Macintosh wird kaum geworben. So bezieht sich fast die gesamte WORD-Werbung auf WORD für DOS oder auf WORD für Windows.

Bei den amerikanischen Kampagnen steht das Produkt, oder besser gesagt das, was WORD produziert, im Vordergrund. Zu sehen sind hauptsächlich mittels WORD erstellte Geschäftsbriefe, Broschüren und Bildschirme. Die einzelnen Kampagnen sind nur schwer voneinander zu unterscheiden, da es kein durchgehendes Thema gibt. Von 1983 bis 1985 wird mit frechen, aggressiven Sprüchen in der headline geworben, wie z. B. "Stop feeding your computer junk food" oder "Quick doesn't have to be dirty", die ein junges und dynamisches Image verkörpern sollen. Der Spruch in der headline wird von der body copy und dem visuellen Code unterstützt. 1986 wird mit der headline "We're the people who tell the PC how to think" für die gesamte Produktpalette geworben. 1987 geht man zu sogenannten "user testimonials" über, d. h. zu positiven Aussagen über WORD von Managern namhafter Firmen wie GTE Corporation, Arthur Young und Quaker Oats Company:

"Part of my job is to put word processing in the hands of very bright, very busy people. The idea is to give them a versatile tool, not a science project." (Business Week, 30. März 1987, 101/102)


(Quelle: Business Week, 6. Juni 1991, S.35)

1991 werden Kommentare über WORD von namhaften Redakteuren der Tages- und Fachpresse zitiert:

"A session with Microsoft Word for Windows can make you rethink the whole category of word processing software." (Edward Mendelson, PC Magazine, December 11,1990).

"Simply put, Word for Windows is a model for the next generation of word processing programs" (Peter Lewis, New York Times 1991).

"Word for Windows is the leader of the pack" (Infoworld, February 4, 1991).21

(Quelle: Business Week, 6. Juni 1991, S.31, 33, 35)

Die Darstellung mittels WORD erstellter Geschäftsbriefe und Broschüren, von Bildschirmen auf denen das Menü zu sehen ist, sowie von Benutzer- und Expertenkommentaren als Mittelpunkt der Werbeanzeige deutet auf ein kritisches, faktenorientiertes Publikum hin, dem man Wettbewerbs- und Sportgeist demonstrieren will ("leader of the pack").

1992 setzt Microsoft zum Angriff auf den Konkurrenten WORD PERFECT CORPORATION an; die headlines der Anzeigen von März, April, Mai und August in der Business Week ergeben eine persuasive Folge:22

"If you want better word processing, don't settle for Perfect", "Word Perfect users prefer Microsoft Word for Windows"; "No wonder Word Perfect users prefer Word for Window. It has easy written all over it"; "Now that Word Perfect users prefer Word for Windows, we're spreading the Word"; "Word Perfect users prefer Word for Windows no matter what state they're in".

In der letzten Kampagne wird der Konkurrent Word Perfect angegriffen: Ohne daß gesagt wird, ob einer, zwei oder die meisten Word Perfect-Benutzer zu MS WORD überwechseln, wird dem Leser suggeriert, daß es die Mehrheit sei - und dies wird als abgeschlossener Tatbestand dargestellt. Bei Werbekampagnen ändert sich auch der Slogan alle ein bis zwei Jahre. In der amerikanischen Microsoft-Kampagne findet man folgende Slogans: "The High Performance Software", "Making it all makes sense", "Making it easier".

Seit 1984, als WORD auf dem deutschen Markt erschien, haben fünf deutsche Werbekampagnen für Word stattgefunden. Die erste Kampagne (1984-1987) informiert den potentiellen Benutzer über Computer und Software. Dabei wird in anfangs noch sehr trockenen, sechsspaltigen Anzeigen das Bemühen erkennbar, Firmentradition und Seriosität zu vermitteln ("Software ab der PC-Stunde null" Manager Magazin ) sowie MS WORD in die Reihe bahnbrechender technischer Erfindungen einzugliedern ("Vom Leierkasten zu Microsoft WORD", ibid). In den folgenden, immer noch sehr textreichen Anzeigen wird durch Witz, Wortspiele, Wilhelm Busch-Zeichnungen und Anspielungen auf die Märchen- und Fabelwelt eine Freude am Wiedererkennen von Bekanntem und ästhetischer Genuß beim Leser erzielt.

Die zweite Kampagne (1987-1989) wirbt u. a. mit Goethe, dem deutschen Dichterfürsten, für WORD. Die Kampagne 1989-1990 läßt den Betrachter in eine futuristische High-Tech-Welt versinken. 1991 wirbt man für Microsoft Produkte mit der Headline "Mit Microsoft können Sie spielend arbeiten" und einer visuellen, in Cartoontechnik erstellten Scheinwelt, die den Leser in die Welt des kindlichen Spiels versetzen soll. Die neueste Kampagne 1992 schließlich wirbt mit einer Headline in Spruchform und Text in der Fachzeitschrift CHIP, während die vorhergehende Kampagne weiterläuft.

Bei den deutschen Kampagen fällt auf, daß sich das Verhältnis zwischen verbalem und visuellem Code von 1984 bis 1992 graduell verändert: dominiert am Anfang der Text, so wird schließlich das Bild zur vorherrschenden Komponente der Anzeige. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, daß am Anfang noch sehr viel Aufklärungsarbeit über die Computerbranche geleistet werden muß und es galt, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. 1991 z. B. beschränkt man sich in der Wirtschaftspresse schließlich nur noch auf Erinnerungs- und Imagewerbung. In den deutschen Kampagnen sind die Formen Einführungswerbung, Erhaltungswerbung, Expansionswerbung und Erinnerungswerbung klar erkennbar.

In den deutschen Anzeigen sind folgende Slogans vorzufinden: "Software mit Zukunft" (1986), "Zukunft der Software" (1987-1989), "Software für ihre Zukunft" (1990-1992).23 Die Slogans spiegeln hier die Eroberung des deutschen Marktes wider: Während der erste noch etwas über die Aussichten des Produktes sagt, sieht der zweite Slogan Microsoft als richtungweisend für die Softwarebranche an; der dritte Slogan bietet in fast gönnerischem Ton etwas für die Verbesserung der Zukunft des Kunden an.

In der gesamten High-Tech-Branche sind Produkte amerikanischer Firmen normalerweise zuerst auf dem amerikanischen Markt vorhanden und erst nach einer gewissen Zeitverzögerung in Europa. Dies ist auf die zur Lokalisierung benötigte Zeit zurückzuführen. Lokalisieren bedeutet die Übersetzung des Programms in die Landessprache und seine Abstimmung auf andere lokale Charakteristika wie z. B. Schriftzeichen, Grammatik (Trennregeln im Deutschen), die im Benutzerhandbuch verwendeten Beispiele.


(Quelle: Manager Magazin, September 1986, S.58/59)

So ist es oft der Fall, daß z. B. in Deutschland noch die Version 5.0. von WORD angeboten wird, während in den USA schon die nächste Version (5.5) geliefert wurde. Aus diesem Grund stellen sich Softwarehersteller nur ungern den Fragen ausländischer Journalisten. Ein anderes Problem, über das die Firma nur ungern spricht, ist die Preispolitik in den einzelnen Ländern. Diese wird oft je nach Marktstruktur und Mentalität des einzelnen Landes gestaltet.

Im November 1983 wird WORD für DOS zum erstenmal ausgeliefert. Zehn Monate später, im September 1984, gibt es die erste Version von WORD auch in Deutschland, und im Mai 1985 erscheint schon die zweite Version (WORD 2.0.). Im Juni 1986 kommt WORD 3.0. auf den amerikanischen Markt, und im Oktober desselben Jahres gibt es schon die deutsche Version. 1987 erscheint in Deutschland die Version 4.0. und 1989 WORD 5.0. Im Mai 1990 wird gleichzeitig mit dem Erscheinen von Windows 3.0. auch WORD für Windows angeboten, und zwar simultan in den USA und in Deutschland. 1991 gibt es in Deutschland die Version 1.1. von WORD for Windows, während im Sommer desselben Jahres WORD for Windows 2.0. in Amerika erscheint. Diese Version (WORD für Windows 2.0.) wird in Deutschland erst im März 1992 vor der CeBIT eingeführt. Aus diesen Daten ist zu folgern, daß WORD in Deutschland einen ziemlich aktuellen Stand hat. Die Zeitverschiebung im Produktangebot beträgt im Schnitt lediglich sechs Monate.

Da es sich bei WORD um ein low-end Produkt24 handelt, das dem allgemeinen Schreibgebrauch und besonders der Bürokommunikation dient, wurde der Werbung in der Wirtschaftspresse zumindest in Deutschland Priorität eingeräumt, weil Microsoft hier von Anfang an inseriert. So bleibt die Wilhelm-Busch-Kampagne auf die Wirtschaftspresse beschränkt, denn sie betreibt viel Publikumsaufklärung und wendet sich an den Büroleiter, z. B.

"Ein Wort unter Chefs. Textverarbeitung top gemanagt" (Manager Magazin, September 1985, S.46/47).

Die nächsten drei Kampagnen sind auch in CHIP zu finden. Bei der "High Text" Anzeige wird sowohl im Manager Magazin als auch in CHIP mit demselben Bild geworben, der Text ist aber verschieden: in der Wirtschaftspresse wird mit "höchstem Bedienungskomfort" geworben, während in der Fachpresse viele Extras des Programms aufgelistet werden. 1991 sind die letzten beiden Anzeigen als eine Art Erinnerungswerbung im Manager Magazin zu finden. Im Jahr 1992 fanden wir keinerlei Werbung für WORD in dieser Zeitschrift, wohl aber waren andere Produkte vertreten. In den USA werden unserer Untersuchung zufolge dieselben Kampagnen sowohl in der Wirtschafts- als auch in der Fachpresse geschaltet.

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