"Umweltbewußtsein" als Grundlage für umweltpolitisches Handeln: Im Entwurf zum "Gesetz zur Förderung des FöJ"[1] wird die Aufgabe des FöJ als eine Möglichkeit bezeichnet, "die Persönlichkeit sowie das Umweltbewußtsein zu entwickeln und für Natur und Umwelt zu handeln." Auch wird die Förderungswürdigkeit des Freiwilligen ökologischen Jahres u.a. von diesen Merkmalen abhängig gemacht. Dies veranlaßt uns dazu, einige Bemerkungen zum Begriff "Umweltbewußtsein" zu machen.

Der Begriff des Umweltbewußtseins wird in der Literatur uneinheitlich definiert. Während etwa Urban[2] unter Umweltbewußtsein ein kognitives Konstrukt versteht, versuchen andere, so Fietkau[3], Umweltbewußtsein mit handlungstheoretischen Konzepten zu erklären.

Uns scheint es im Blick auf die vorliegende Untersuchung ratsam, den Begriff des Umweltbewußtseins im Kontext der Einstellungen Jugendlicher zu analysieren, der sowohl kognitive als auch handlungsorientierte Motive zuläßt. Umweltbewußtsein kann in dieser Hinsicht definiert werden, als "Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch diesen selbst, verbunden mit der Bereitschaft zur Abhilfe"4. Umweltbewußtsein mag aber auch verstanden werden als "ein erhöhtes Aktivitätsniveau bis hin zur Glorifizierung eines falsch verstandenen Öko-Aktivismus, als ein [neues] Einstellungs-, Werthaltungs-, oder Wertewandlungskonstrukt"5, das bei neuen sozialen Bewegungen in der sogenannten Öko-Szene oftmals beobachtet werden kann. Dennoch möchten wir uns auf Fietkau beziehen - "Umweltbewußtsein artikuliert sich vorwiegend politisch, Umweltbewußtsein determiniert keine spezifischen Handlungen, sondern fördert ein allgemeines Aktivitätsniveau"6 - und diese Beschreibung in Verbindung mit Schuchardts Zitat "Umweltbewußtsein findet seinen Ausdruck in veränderten Denk- und Wahrnehmungsweisen, Einstellungen und Werthaltungen, durch die eine überzogene Anthropozentrik des Natur- und Weltverständnisses sowie historisch überkommene partikularistische Weltsichten und Handlungsmuster überwunden werden"7 - als Grundlage der weiteren Betrachtung von Umweltbewußtsein verwenden.

Die Jugendlichen verleihen mit ihrer Teilnahme am Projekt FöJ ihren persönlichen Interessen Ausdruck. Nicht nur schwierige Berufsaussichten, das Infragestellen einer sinnstiftenden Lebensorientierung und nicht zuletzt die Angst vor der immer wieder artikulierten Zerstörung der natürlichen Umwelt sind wichtige Motivationsfaktoren für die Teilnahme am FöJ. In der Auseinandersetzung mit dem subjektiv erfahrenen, von Risiken, Gefahren und altersspezifischen Ungewißheiten geprägten Sein, im als komplex empfundenen Geflecht gesellschaftlicher Interessenszusammenhänge, entsteht und entwickelt sich ihr "Umweltbewußtsein".

So gesehen entspricht das "Umweltbewußtsein" der Teilnehmer dem Schutz der Schöpfung und zugleich der Realisierung ihrer persönlichen Interessen. "Umweltbewußtsein" wird aber auch verstanden als Versuch, Einsicht in die Ursachen der Umweltzerstörung zu gewinnen, der aktives Handeln und eine Veränderung des Bestehenden beinhaltet, um den Fortbestand des Lebens und die Zukunft des Planeten sicherzustellen.

"Umweltbewußtsein" muß sich aber auch als Korrelat kritischer praktischer Tätigkeit ausbilden - etwa bei Aufklärungsaktionen in der Fußgängerzone -, doch ist es in dieser Form bei den FöJ'lern oft nur gering ausgeprägt. Die erhobenen empirischen Daten[8] weisen vielmehr darauf hin, daß die Teilnehmer des FöJ nur über wenig kritisches Umweltbewußtsein[9] verfügen. Dies kann beispielsweise daran gesehen werden, daß weniger als 8% sich für politische Aktionen, wie Podiumsdiskussionen, erwärmen, oder nur 29% es für notwendig erachten, über Themen wie Ressourcenzerstörung und Wirtschaftswachstum zu diskutieren, und dies mit abnehmendem Trend. Dies zeigte auch die Zustimmung bzw. Ablehnung zu Beginn und am Ende des FöJ zum Item: "Je besser unsere Wirtschaft floriert, desto mehr wird für den Umweltschutz getan". Wesentliche Aussage der folgenden Graphik ist dabei, daß das gesellschaftspolitische Bewußtsein der Teilnehmer sich in Richtung Indifferenz veränderte:

Klare Positionen werden vermehrt aufgegeben, die Differenzierung der Umweltproblematik wird ins eigene Sein verlegt. Am Ende des FöJ waren die Teilnehmer daher verstärkt geneigt, die Ursachen der Umweltkrise weniger im Wirtschaftssystem als beim Individuum festzumachen.

Das "Umweltbewußtsein" der Teilnehmer ist zwar durchdrungen von Angst und Ungewißheit, dennoch ziehen sie sich in die Gruppe zurück, um dort Schutz und Geborgenheit zu finden. Ihr Umweltbewußtsein ist nicht so sehr offensiv-konstruktiv-engagiert, als daß es paralysierende, affirmative Züge trägt. Eine Abschottung nach Außen macht sich bemerkbar.

Trotz politischer Informiertheit lassen die Konturen und Inhalte des "Umweltbewußtseins" unserer Untersuchungsgruppe eine große Distanz zu politischen und wirtschaftlichen Institutionen erkennen: 57% lehnen ein wirtschaftliches Wachstum als Lösung von Umweltproblemen ab; 58% haben kein Vertrauen mehr zu Wissenschaft und Technik.

"Umweltbewußtsein" als gesellschaftspolitische und kognitive Kompetenz verstanden, läßt sich jedoch nicht aus der Einsicht in physikalische, biologische oder chemische Prozesse gewinnen, noch durch gewissenhaftes Müllsortieren, sondern nur aus der Einsicht in die - im weitesten Sinne kulturellen - Zusammenhänge, die das Verhältnis der Menschen untereinander und insbesondere zur Natur regulieren. Umweltbewußtsein ist insofern im soziologischen Sinne als genuin gesellschaftliches bzw. gesellschaftskritisches Bewußtsein definiert.

Ohne Zweifel suchen die Teilnehmer Kontakt mit der Natur oder zumindest mit etwas Neuem. Etwa 34% begründen im zweiten Jahr ihre Wahl auch mit moralisch-ethischen Gründen[10], aber das Haupinteresse besteht in der Berufs- und Zukunftsperspektive bzw. in der Angst und Unsicherheit vor der Zukunft und ihrer eigenen Lebensgrundlage.[11] Eine bedeutende Triebkraft des Verhaltens der Teilnehmer ist also Angst und Unsicherheit. Sie versuchen, aus ihren Ängsten heraus zu handeln und wandeln somit ihre Begründungen der psychischen Destabilisation in Aktivitäten um. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, daß 75,8%[12] die Aussage "Ich sehe keine ernsthafte Bedrohung für unsere Zukunft, wir werden mit unseren Problemen schon fertig werden" strikt verneinen. Zu ähnlichen Ergebnissen ist auch Fietkau[13] gekommen. Auch die Zustimmung der Teilnehmer (55,5%) zur Aussage: "In der heutigen Zeit kann man es eigentlich gar nicht verantworten, Kinder in die Welt zu setzen", unterstützt unsere Annahme.[14]

Die im Laufe der Untersuchung erhobenen empirischen Daten zeigen, daß eine Identitätsbildung oft nicht die Regel ist. Circa 47% teilen nach Ablauf des Jahres mit, daß sie sich nur gelegentlich als Umweltschützer fühlten. Dies läßt sich dahingehend interpretieren, daß ein Jahr der teilnahme am FöJ keine grundlegende Identifizierung mit der Umweltproblematik und ihren Belangen bewirkt hat. Auch weist die aktive Mitgliedschaft von über 21% in der Kirche gegenüber einer Mitgliedschaft von 18% in einer Umweltschutzorganisation zumindestens tendenziell darauf hin, daß die weltanschauliche Nische, in der die FöJ'ler sich zuhause fühlen, vielfach schon vorher anderweitig durch religiöse Orientierungen besetzt war.

Betrachten wir auch die aktuelle, eher prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt, speziell das Problem der Jugendarbeitslosigkeit, so verstehen wir das deutliche Unbehagen in puncto berufliche Zukunft.[15] Die Tatsache, daß Menschen in einer besitz- und erwerbsorientierten Gesellschaft auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, Angebot und Nachfrage sich aber nicht immer die Waage halten, führt zur Suche nach immer neuen Wegen und Möglichkeiten, u.a. zur Ökologie: dazu, daß Jugendliche sich Hoffnungen machen, im Ökologiebereich eine Beschäftigung zu finden, nach dem Motto: "Ökologie hat eine bessere Zukunft." So gesehen, darf das FöJ als individuelle Möglichkeit zur Verbesserung der Berufschancen gelten. Jedes Praktikum, jede zusätzliche Berufsqualifikation vermehrt die Hoffnung auf beruflichen Erfolg. Auch die Überlegung, daß Jugendliche heutzutage angesichts der drohenden Arbeitslosigkeit immer häufiger immer längere Ausbildungsformen wählen, hat sich als Motiv für die Teilnahme am FöJ herausgestellt. Qualifiziertere Ausbildungsgänge setzen oft Wartezeiten und zusätzliche Praktika voraus, die sich im FöJ sinnvoll verwirklichen lassen. Immerhin verfügen über 46% der Jugendlichen bereits über klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft, für sie ist das FöJ eine konkrete "Möglichkeit des Weiterkommens". Etwa 16% der Eltern dagegen betrachten das FöJ als reine Übergangszeit.

Für viele ist freilich die allgemeine Verwirrung nach dem Schulabschluß, die Unübersichtlichkeit auf dem Arbeitsmarkt, die Ratlosigkeit der Berufsberater, der ausschlaggebende Faktor für die Teilnahme am FöJ: "Ich habe keine Idee gehabt, wie es weitergehen sollte, viele Möglichkeiten sind unterbunden, deswegen habe ich gedacht, ein Jahr im Umweltbereich zu arbeiten". Man weiß nicht, was man tun soll, mit der Einstellung, "irgendwie ist im Umweltbereich viel los, vielleicht ergibt sich etwas" geht man ins FöJ. Circa 61% des zweiten Jahrgangs gaben an, aus der Perspektive der "Berufsfindung und -möglichkeit" heraus am FöJ teilgenommen zu haben.[16] Hier kann nachvollzogen werden, daß dem Interesse am Umweltschutz kein bloßes intellektuelles Bedürfnis zugrunde liegt, auch kein rein humanitäres Anliegen, sondern der ganz persönliche Wunsch, das eigene Leben zu planen und ökonomisch zu sichern. Nicht nur Idealismus und "Liebe zur Natur" motivieren die Jugendlichen, ein Jahr ihrer Lebenszeit in den Dienst der Natur zu stellen, sondern die der Blick liegt auf der Sicherung einer individuellen Zukunftsperspektive. Und in der Tat, in den meisten Fällen geht ihr Sinnen auf: etwa 97% der Teilnehmer gaben an, während der FöJ-Zeit konkrete Berufs- bzw. Studienpläne entwickelt zu haben.

Die Jugendlichen im FöJ wachsen dennoch in diesem Jahr in ökologisches Gruppenverhalten hinein, entwickeln ein sozial geprägtes Risikobewußtsein. Wie immer man Risiken heutzutage im einzelnen definieren mag[17], sicher ist, daß Umwelt oft als bedroht und bedrohlich wahrgenommen wird, doch wird diesem Sachverhalt je nach individueller Prädisposition unterschiedlich begegnet.[18] Jugendliche nehmen diese Situation besonders ernst, sie fühlen sich aufgrund ihres Alters, der Lebenszeit, die noch vor ihnen liegt, doppelt betroffen und gefährdet. Den Erwachsenen wird vorgeworfen, sie hätten den Generationenvertrag gebrochen und sich aus der Verantwortung gegenüber dem Leben und der Jugend gestohlen. Auf dieser Argumentationsgrundlage wollen die Jugendlichen nun selbst die Verantwortung für das Leben übernehmen. Die Situation verlangt von ihnen, daß sie nach neuen individuellen und kollektiven Strategien, Gegenmaßnahmen, Verarbeitungsmechanismen und nicht zuletzt nach neuen Bewußtseinsinhalten suchen. Es werden neue Verhaltensabsichten und Umgangsformen entwickelt, um die immer wieder neu ins Bewußtsein gerückten Ängsten und Gefahren um den eigenen Lebensraum bewältigen zu können.

Allen früheren und gegenwärtig sich für den Schutz der Umwelt einsetzenden gesellschaftlichen Gruppierungen, die im einzelnen nicht persönliche, sondern allgemeine Umweltinteressen vertreten und dies als ihr legitimes Recht deklarieren, ist gemeinsam, daß sie sich aus Bildungsschichten des Bürgertums rekrutieren.[19] Nicht nur die Wandervögel, die Jugendbewegten und die Grün-Alternativen, sondern auch die für eine "Rettung der Umwelt opferbereiten" FöJ-Teilnehmer entstammen überwiegend den mittleren Bildungs- und Einkommensschichten, wie zumindest aus der Antwort auf die Frage nach den elterlichen Einkommensverhältnissen hervorgeht. Über 50% der Eltern gaben an, gut mit ihrem monatlichen Einkommen auskommen zu können, und 41% sahen die Höhe ihres Einkommen als genügend an, um damit gut auskommen zu können. Daß es sich hier nicht um verzichtbetonte und genügsame Familienverhältnisse handelt, zeigt zudem die Berufsangabe, wonach zum relativ großen Teil angegeben wurde, in gehobenen Stellungen der Wirtschaft und im Dienstleistungsbereich tätig zu sein.

Ferner ist auf den überdurchschnittlicher Anteil der Abiturienten in der Untersuchungsgruppe zu verweisen: über 95% der Teilnehmer besitzen das Abitur.

Nicht zuletzt ist die Teilnahme am FöJ auch eine Möglichkeit zur Ablösung von der Familie. Im Gefolge verlängerter Ausbildungszeiten mit höheren Bildungsabschlüssen, aber auch als Folge der vermehrten Jugendarbeitslosigkeit ist die Abhängigkeit von der Familie wieder größer geworden, dauert länger an. Dies birgt beträchliche Probleme in sich, wovon die FöJ-Teilnehmer keineswegs ausgenommen sind: für sie ist die Teilnahme am FöJ eine Möglichkeit, sich aus der Kernfamilie zu lösen um sich daruauf vorbereiten zu können, sich auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren.