Der Computer als Kommunikationspartner des Menschen

von

Helmuth Sagawe

Babysprache, Ausländerdeutsch -, der Mensch paßt sich seinen jeweiligen Kommunikationspartnern an, auch dem Computer! Doch scheint einiges darauf hinzudeuten, daß die Befolgung des Kooperatiosprinzips hier paradoxerweise gerade dazu führt, daß der menschliche Partner die für die zwischenmenschliche Kommunikation typischen Interaktionsmarker, wie phatische, expressive und situative Elemente, im Dialog mit der Maschine, zugunsten größerer semantischer Präzission, wie mehr Explizitheit und syntaktischer "Korrektheit", aufgibt.

Okkasioneller "Situolekt" oder Ausformung einer neuen Sprachvarietät mit Trend zur Verfestigung und Generalisierung, das scheint hier die Frage zu sein.

In den letzten Jahren wurden im Bereich der Mensch-Maschine-Kommunikation vermehrt theoretische Überlegungen darüber angestellt, wie die Beziehung zwischen Mensch und intelligenter Maschine aus wissenschaftlicher Sicht analysiert werden kann. Einerseits bemühte man sich, den Umgang mit dem Computer als eine Tätigkeit mit neuen technischen Werkzeugen anzusehen, andererseits wurde das Geschehen zwischen Mensch und Computer so interpretiert, als wäre es der menschlichen Kommunikation ähnlich oder vergleichbar.

Wenn man jedoch z. B. Joseph Weizenbaum[1], Walter Volpert[2], Klaus Eurich[3], Pflüger/Schurz[4] und vielen anderen folgt, darf der Computer nicht nur als technisches Werkzeug interpretiert werden, sondern es werden Analogien zur zwischenmenschlichen Kommunikation sichtbar.

Es bieten sich nun viele Ansatzpunkte, mit sozialpsychologischen und sprachwissenschaftlichen Modellen diese Beziehung zu analysieren

Auf eine - vilelleicht umstrittene - Möglichkeit, diese besondere Kommunikationsform sprachwissenschaftlich zu analysieren, möchte ich hier zuerst kurz eingehen, wobei ich die Diskussion über die Verwendung der Begrifflichkeiten wie "Interaktion, Kommunikation und Sprechakt" in diesem Zusammenhang aus Zeitgründen nicht aufgreifen kann und hier auf meinen Aufsatz "Kommunikationspartner 'Computer'" in "Wirkendes WORT" Nr. 2, 1989 verweisen möchte.

Stellen wir uns nun die erste Kommunikationssituation eines sogenannten "Users" mit dem Computer vor. Ich gehe dabei von Benutzern von WORKSTATIONS, Großrechnern oder in ein Kommunkationsnetz eingebundenen Personalcomputern, aus.

Die erste sogenannte "Kommunikationssituation" Mensch-Computer entsteht bei der Password- Wahl und Password-Eingabe. Der Benutzer muß ein Kennwort assoziieren, mit dem er sich im folgenden Einlaß in das Computersystem verschaffen kann. Dieses "Password" ist das erste Kommunikationselement vom ego mit dem Computer.

Der Computer eröffnet mit einer Meldung den Einlaß ins System oder bei falscher Eingabe des Passwortes verweigert er den Zugriff auf die Dateien und Programme, und bricht in der Regel nach dreimaligem mißglücktem Versuch die Kommunikation völlig ab. Wird aber das Passwort vom Computer akzeptiert, so kann das "Zwiegespräch" von Seiten des Benutzers durch die Verwendung von vorgeschriebenen Befehlen und frei assoziierbaren File-Namen[5] fortgeführt werden. Der Benutzer erhält weiterhin entsprechend der Logik der implementierten Programme eingabebezogene Antworten.

Reduzieren wir nun diese Beziehungseinheit "Mensch-Maschine" in eine Handlungs- Ein- und Ausgabe-Einheit "Benutzer-Computer", so können wir die Handlungen als Sprechakt bezeichnen, wenn wir uns darauf einigen, daß ein geglückter Sprechakt dann vorliegt, wenn ein Sender zu einem Empfänger etwas sagt, das für beide in einer bestimmten Situation die gleiche Bedeutung hat.

Wir haben also die Handlungseinheit: Mensch-Mensch auf der Ebene des Sprechaktes durch die Handlungseinheit: Mensch-Maschine ersetzt, der Mensch teilt der Maschine etwas mit, das für die Maschine in der gleichen Situation die gleiche Bedeutung haben muß.

Die Verbindung, durch die der Informationsfluß ermöglicht wird, ist die Mensch-Maschine-Schnittstelle (MMS). Über die MMS findet demnach ein Informationsaustausch innerhalb eines Sprechaktes statt.

Wie sehen aber nun die ihm zugrundeliegenden Sprachelemente des Sprechaktes aus, wie artikuliert sich der Benutzer gegenüber einer Maschine, die zudem noch mit "künstlicher Intelligenz" ausgestattet sein mag.

1. Er kann genau vorgegebene Begriffe verwenden, die in Programmiersprachen definiert wurden, die aber nur eine äußerst begrenzte Sprachvarietät zulassen.

2. Er kann Bereiche (Dateien, Begriffe) selbst benennen, und so den Informationsaustausch mit der Maschine selbst gestalten und seinen Denk- und Sprachstrukturen anpassen. Diese frei wählbaren Begriffe sind allerdings insofern determiniert, daß sie auf die Funktionen und Inhalte bezogen sein müssen, für die sie gesetzt werden, um dadurch ein Wiedererkennen von Programmen, Dateien und Inhalten zu ermöglichen. Sie haben also die Funktion eines Namens zu erfüllen.

3. Er kann völlig freie Wörter assoziieren, die im Grunde genommen nichts mit der inhaltlichen Tätigkeit zu tun haben müssen, sondern solche Assoziationen können u.a. durch unbewußte Einstellungen und situativen Gegebenheiten bedingt sein. Diese Situation trifft bei einer Password-Wahl, sowie bei lernfähigen Systemen zu.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts prägte die strukturalistische Sprachwissenschaft, die mit dem Namen Ferdinand de Saussure verbunden ist, das Bild der Linguistik. Man ging bis dahin davon aus, daß "sprachliche Kommunikation ein Nachrichtenaustausch ist, aufgrund dessen über Sachverhalte kommuniziert wird".[6] Die Sprache, aufgefaßt als ein System von Zeichen (langue) wurde von dem Sprachgebrauch (parole) getrennt und zum zentralen Forschungsgegenstand der Linguistik erhoben. Das primäre Ziel war es, eine auf das Sprachsystem bezogene Beschreibung der phonologischen, syntaktischen und semantischen Strukturen der Sprache zu liefern.Dieser Ansatz ist heutzutage überholt, bzw. durch die pragmatische Sprachbetrachtung ergänzt worden, d. h. der Sprachgebrauch, die parole rückte ins Zentrum des Interesses.

Nach diesen Überlegungen können wir nun den Sprechakt Mensch - Computer in einen lokutionären Akt (also den Akt des Äußerns an sich) und einen illokutionären (also das was wir mit der Äußerung bezwecken) aufteilen. Zum lokutionären Akt würden Datei- / File-Namen und auch die Eingabe von Daten, zum illokutionären Akt Befehl und Password gehören. So leitet z.B. die Eingabe des Passwords eine Gesprächssituation mit dem Computer ein, sie kann als Aufforderung angesehen werden, mit ihm eine Kommunikation zu eröffnen (illokutionärer Akt). So deutet z.B. der illokutive Charakter von dem Password TUWAT (tue etwas) darauf hin, daß der Benutzer den Computer auffordert, etwas zu tun oder mit der Arbeit zu beginnen.[7] Hierzu einige Passwort-Beispiele, die meiner Untersuchung über Passwort-Verhalten entnommen sind und von Benutzern stammen, die den Computer explizit als Partner bezeichneten.[8]:

ALLA ALLAHOPP ANDA (span.= aufgehst) HALLOIBM HALLO LOSGEHTS LOGON MAHLZEIT GUTENTAG OFFEN PIPELOI (holl. Gruß) PLEMPLEM RUCKZUCK TUWAT

Neben dem Gebrauch von Passwörtern benötigt der Benutzer in der Kommunikation weitere Kennungen. Nach dem Password ist der File-Name oder auch Datei-Name, mit die wichtigste Eingabe. Mit ihm können vom Benutzer Daten nach einer persönlichen Logik organisiert werden, d. h. anhand des Namens, den er einer Datenmenge bzw. zu speichernden Datei oder einem Programm gibt, muß er diese wiederfinden können.

A:WALD.TXT

In mehreren Rechenzentren wurden von mir weit über 9000 Dateinamen gesammelt und lexikalisch untersucht.

ART FREQUENCY PERCENT

------------------------------------------------------------------------------------------------------

1 LEXIKAL. 998 14.6

2 EIGENNAMEN 284 4.1

3 ZEICHENF. 5576 81.3

Aus diesen Zahlen wird erkenntlich, daß der EDV-Benutzer eine Reihe von lexikalisierten Wörtern benutzt, ebenso erkenntliche Abkürzungen, die einen Bezug zur Tätigkeit am Computer haben. Darüberhinaus werden spezifische Abkürzungen verwendet, die in der Regel aufgrund der Tätigkeit, und den dazu benötigten abgespeicherten Daten assoziiert wurden. Spezifisch für die Tätigkeit am Computer ist demnach, daß überwiegend mit Abkürzungen Begriffe ins Gedächtnis gerufen werden und weniger Substantive bzw. allgemein lexikalisierte Wörter verwendet werden. Auch werden bei der Benennung von Dateien weniger emotional besetzte Wörter verwendet, Ausdrücke wie MIST und CHAOS sind dabei eine Ausnahme.

Der File-Name hat also im Sprechakt Mensch-Computer im Gegensatz zum Password für den Benutzer eine rein utilitaristische Funktion. Die Identifikation seiner abgespeicherten Dateien steht dabei im Vordergrund. Bemerkenswert bleibt, daß die Wiedererkennung der Dateien hauptsächlich durch Abkürzungen hervorgerufen wird. Eine Emotionalisierung und Vermenschlichung im Umgang mit dem Computer ist auf dieser Ebene kaum feststellbar.

Jede Sprachhandung ist eine aktuelle individuelle Auswahl aus den Möglichkeiten, die das Sprachsystem bereitstellt. Die Summe der Sprachhandlungen des Individuums ergibt seinen Ideolekt.

Der Befehl als Grenzfall des Appells in der Kommunikation wird bei Austin[9] als (illokutionärer Akt) illocutionary act bezeichnet, also, als ein Sprachhandlungstyp mit einer bestimmten Intention beim Sprechen. Ähnliche Intentionen finden wir bei einer Warnung, dem Wunsch und der Forderung wieder. Der Effekt - oder auch Perlokution - ist dabei die Wirkung, die der Befehl beim Adressaten auslöst, im ungünstigsten Falle hat er keine Wirkung oder erzeugt das Gegenteil der vom Sender beabsichtigten Wirkung. Gibt z.B. ein EDV-Benutzer einen dem Computer unbekannten Befehl, d.h. der Ideolekt des Senders und des Empfängers stimmen nicht überein, wird der Empfänger, d. h. der Computer nicht oder nicht in der gewünschten Art reagieren. Die Vergabe von File-Namen und Passwörtern dagegen findet allein aufgrund des Ideolekts des Senders statt und erweitert so den "Ideolekt des Computers".

Bei der Analyse des Informationsaustausches zwischen Mensch und Maschine sollte demnach festgestellt werden, daß hier ein auf festen Prinzipien beruhender Sprechakt vorliegt. Es sollte gezeigt weren, daß der Benutzer einerseits zur eigenen Kreativität in Form von Wortschöpfungen gezwungen wird und diese in die Informationsübermittlungssituation mit einbringen muß, daß andererseits der Schritt zum formalen Denken dennoch sehr stark durch vorgegebene Befehle und Befehlsstrukturen erzwungen wird. Die Sprache zwischen dem Mensch und dem Computer reduziert sich dabei hauptsächlich auf wenige abstrakte, sich wiederholende Begrifflichkeiten, die vorgegeben oder auch selbst assoziiert sein können. Die oft artikulierte Forderung nach logischem Denken, nach Präzision und Widerspruchslosigkeit im Umgang mit dem Computer, gewinnt hier leider zunehmend an Bedeutung, mit der Ausrichtung auf ein "formales Denken".

Erscheint es daher nicht plausibel, zum Ausgleich, dem Computer menschliche Attribute zuzusprechen, ihn zu mystifzieren, um dieser Rationalität zu entfliehen?

Nicht nur für die Computerkinder ist die intelligente Maschine etwas Neues und Aufregendes, auch die Erwachsenen fürchten sie als etwas Machtvolles und gelegentlich Bedrohliches, das es zu beherrschen gilt. Der Computer wird als selbständig handelnder Agent dem Menschen als Partner zur Seite gestellt, der einerseits bereitwillig hilft, andererseits aber auch manchmal nicht das tut, was man von ihm erwartet und daher "ausgetrickst" sein will. Wo kommt dieses metaphorische Ebenbild des Menschen her? Sind es die Systementwickler, die dem Benutzer dieses Bild an zahlreichen Stellen - bei der Konzeption und Realisierung der Systeme - nahelegen?

Die Vermenschlichung des Computers findet sich in den technischen Begriffen wieder, es werden menschliche Begriffe (anthropomorphe Begriffe) für technische Geräte verwandt: der Computer versteht, er sieht, er hört, er spricht. Diese Begriffe sind aus dem menschlichen Kommunikationsverhalten entlehnt und werden heute systematisch in der Umgangssprache, in Werbung und Zeitschriften verwendet.

Die Anthropomorphose der Computer wird demnach immer spürbarer. Die Aussage: "... daran ist der Rechner schuld!" heißt doch, daß man diesem Gerät menschliche Eigenschaften zuspricht. Veränderungen in der Sprache bewirken psychologische Veränderungen bzw. Veränderungen in der Wahrnehmung. Der "Computer ist zu einer Metapher geworden, die wörtlich genommen wird"10. Zu Beginn der Entwicklung des Computerzeitalters hätte man es noch als Metapher empfunden, wenn jemand gesagt hätte: "Der Computer denkt gerade darüber nach ...", heute scheint es selbstverständlich geworden zu sein, daß man annimmt, der Computer würde denken.

Anthropomorphe Metaphern werden gerne bei der Einführung neuer Situationen mit neuen Wissensinhalten verwendet. Was ist jedoch eine Metapher?[11] Abgesehen von den vielen anderen Definitionen findet man in einem linguistischen Wörterbuch folgende Erläuterungen:

"Übertragungen von Bedeutungen/Bezeichnungen aufgrund von Ähnlichkeiten der äußeren Gestalt, deren Funktion und Verwendung durch implizierten Vergleich bzw. Ineinanderfließen der Vorstellungen bestimmt ist; bewußte und beabsichtigte Übertragung aufgrund von Sinnähnlichkeit zu ästhetischen Zwecken. Sie ist der Ersatz eines Ausdrucks durch einen anderen, mit dem dieser mindestens ein semantisches Merkmal gemeinsam hat"[12]

Der Computer scheint dabei zu einem Wesen geworden zu sein, das "Computerwitwen" erzeugt und manchen EDV-Benutzer "süchtig" macht. Der Mensch wird in überwältigender, ja intimer Weise angesprochen, wie er es sonst fast nie erlebt hat. Beeinflußt wird die Persönlichkeit, die Identität, ja sogar die Sexualität. Solche Bilder sind besonders in der Werbung für Hard- und Software sowie in der Fachliteratur zu finden.

Der Computer ist demnach zum Partner geworden, und stellt sich Ihnen persönlich vor.

man spricht von "Mikro-Kontakten" und konstatiert: "Auf die inneren Werte kommt es an", ein Kuß ist dabei nicht ausgeschlossen.

Der Computer wird mit einer Geliebten auf einer Parkbank bei Mondschein[13] gezeichnet oder gar in einem Comic-Buch die "Ersteingabe am Computer" mit der Defloration einer Jungfrau verglichen.[14]

Compaq formuliert in einer Werbebroschüre so:

"Computer in ein Unternehmen zu integrieren,

heißt: 'Partner-Suche',

heißt 'Partner-Wahl',

heißt: 'Überlegen. Von Anfang an'"

Die CPT Text-Computer GmbH fordert in der Computerzeitschrift MICRO (11/85) ihre Kunden auf: "Halten Sie ihrem PC ruhig weiter die Treue!" und in CHIP (März 1988) kündigte PRO-ELECTRONIC an: "... wir wollen Deutschlands beliebtester Computer-Partner werden!"

Der Computer wird nicht nur als menschliches Wesen dargestellt, mit Gesicht, Händen und Füßen, sondern auch als fressendes, freundliches oder fragendes Ungeheuer.

und der Knowledgeman ist mit fünf Sinnen aus- gestattet.

Der Computer kommuniziert: Er liest die Zeitung Er kann auch gefährlich werden: gibt aber dann doch auf. Er erhält natürlich die höchsten sprortlichen Auszeichnungen trägt Hut und Mantel und die soziale Hirarchie bleibt auch gewahrt. (König/Bauer)

In welcher Welt bewegen wir uns? ist die Maschine zum Menschen geworden oder möchte der Mensch gerne eine Maschine sein? wie es die werbewirksame Wunschvorstellung einer mir bis dahin unbekannte Schauspielerin bewies: Sicherlich werden wir den Anschluß an die moderne Technik nicht verpassen sollten aber mit Klaus Häfner höchstens den Computer als ein "Denkzeug" betrachten selbst wenn einmal die Seele ihren Computer verläßt,

dann rufen Sie "Hallo IBM" und der "Schutzengel für Ihren Computer" bietet Ihnen nicht nur Selbstverständliches, wie einen Wartungsdienst rund um die Uhr.

Sind diese Beispiele tatsächlich für Werbung und Berichterstattung im deutschsprachigem Raum repräsentativ? Spiegeln sie die allgemeine Einstellung des Menschen zum Computer wider? Solche Fragestellungen wurden in einer quantitativen Studie retrospektiv über 10 Jahre hinweg untersucht. Es wurden Computer-Fachzeitschriften der Jahre 1978 bis 1988 mit insgesamt 28.950 Seiten auf verbalisierte und bildlich dargestellte Anthropomorphismen hin analysiert. 1840 vermenschlichte Darstellungen des Computers konnten dabei erfaßt und analysiert werden.

Bei Auswertung der registrierten Belege ergab sich, daß 1978 durchschnittlich über 12 Anthropomorphismen pro 100 Zeitschriftenseiten zu verzeichnen waren, diese Anzahl jedoch bis 1988 kontinuierlich bis auf 6 Anthropomorphismen pro 100 Seiten abnahm. Ähnliche Tendenzen zeigten sich bei der auf Fachtexte reduzierten Betrachtung (in Überschriften und hervorgehobenem Text und den dazugehörigen Fotos und Graphiken). Auch hier fiel in diesem Zeitverlauf die durchschnittliche Anzahl der Anthropomorphismen um die Hälfte ab. Genau entgegengesetzt verhält sich jedoch die Anzahl der auftretenden Anthropomorphismen in der Werbung. Unterschiedliche Anteile von Text und Werbung in einer Zeitschrift wurden dabei durch einen Multiplikator ausgeglichen.

Anthropormophismen des Computers sind übrigens nicht nur im deutsch- bzw. englisch-sprachigen Raum zu finden, oder gar nur in der inzwischen von Computern überschwemmten westlichen Welt, mittlerweile sind selbst in der russischen Fachliteratur vermehrt solche Darstellungen als Illustration zu finden.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß in der Zeit vor 1978, als die ersten Computer in der Wirtschaft, den Behörden und der Ausbildung noch relativ selten zu finden waren, ihre Fähigkeiten von der Allgemeinheit überschätzt wurden. Solche Überbewertungen erzeugten Ängste, wie sie bei der Einführung jeder neuen Technologie - ob berechtigt oder nicht - immer zu finden sind. In den folgenden Jahren, und mit zunehmender Ausweitung der Mikro-Elektronik, erhöhte sich auch nach und nach der allgemeine Kenntnisstand im Bereich der EDV.

Es setzte eine Entmystifizierung ein, daß ein Computer - trotz seiner enormen Leistungen - wenn er richtig programmiert wurde, doch meist(!) das tut, was der Mensch von ihm verlangt. Er ist also nur eine Art Organersatz des Menschen, etwa im Sinne des Philosophen und Soziologen Arnold Gehlen[15] .

Die Werbemanager steuerten jedoch gegen diese Entmystifizerung. Sie vertraten immer mehr die Auffassung, daß die potentiellen Käufer wohl wenig Ahnung vom Metier der EDV haben, und man ihnen durch den Kauf eines Computers Hoffnung auf einen Partner mit menschlichen Wesenszügen machen könne.

Vielleicht wollen sie aber auch nur den potentiellen Käufern die Angst vor den Maschinen nehmen, und mit unserer altbekannten Sprache und Vorstellung das Unbehagen angesichts neuer Fremdsprachen (Programmier/Maschinensprachen) eindämmen. Die Fachsprache EDV ändert sich dabei nicht, Gespräche und Berichte über den Computer werden zusehens menschlich.