Gastvortrag an der Universität Zürich

im Rahmen des Seminars:

Soziologische Aspekte der Computertechnologie

Kommunikatives Handeln Mensch-Computer

Zürich am 4. Juni 1992

Teil 2

(Anthropomorphisierung des Computers)

Allerdings schon seit Jahrtausenden träumen die Menschen von automatisierten, ihnen ähnlich sehenden Helfern und Künstlern, von den Androiden. Von den alten Griechen, von Homer stammen die ältesten Zeugnisse über den Traum vom künstlichen Menschen. Er beschrieb in seiner Ilias die goldenen Mägde, die mit Verstand, Stimme und großem handwerklichen Geschick begabt waren. Die Androiden waren etwas Göttliches. Selbst Aristoteles entwarf in seinem Werk "Die Politik" die Vision einer von Automaten bevölkerten Welt, die für den Menschen arbeiteten.

Weiterhin lassen sich in Beschreibungen aus dem antiken Griechenland, aus Arabien, China und dem christlichen Europa immer wieder Erzählungen von beweglichen Statuen, wunderlichen Puppen, oft mit sprechenden Köpfen, finden. Meist vermischen sich aber in den Beschreibungen Traum und Wirklichkeit. So soll bereits im 13. Jahrhundert Albertus Magnus einen Automaten in Menschengestalt gebaut haben, der den Menschen die Tür öffnete und sie begrüßte.

Die Erbauer von Androiden ernteten keineswegs nur die Bewunderung ihrer Zeitgenossen. Oft sahen sie sich wegen ihrer Nachahmung der Natur und der frevlerischen Konkurrenz zum Schöpfergott dem Vorwurf der Gotteslästerung ausgesetzt.

Erst im 17. Jahrhundert ermöglichte die Aufklärung den Erfindern neue technische Ideen. Durch das Feder-Uhrwerk als Antrieb und die Stiftwalzen zur Steuerung waren bessere Bedingungen für die Androidenbauer geschaffen, die sich bis dahin mit Gewichten und Wasser als Antriebskräften begnügen mußten. Ihre Hochzeit erlebten die beweglichen Puppen im 18. Jahrhundert, als mit den Mitteln der Mechanik die schönsten Automaten entworfen wurden, besonders von Schweizer Uhrmachern aus Neuchâtel (Jaquet-Droz, seinem Sohn Louis und Jean-Frédéric Leschot). Bis in die kleinsten Kleinigkeiten imitieren ihre Puppen mit Zahnrädern, Stiftwalzen und Hebeln die menschlichen Gesten.

Folie Schriftsteller von vorne

Folie Schriftsteller von hinten

"Der Schriftsteller", Automat von Jaquet-Droz, Museum für Kunst und Geschichte in Neuchâtel, Schweiz.

Die Technik des 19. Jahrhunderts hatte für diese Spielereien mit menschenähnlichen Automaten wenig übrig. Alle kreativen Kräfte wurden bei der einsetzenden Industrialisierung dafür gebraucht, Maschinen zu bauen, die die menschliche Arbeitskraft potenzierten, um maximalen Gewinn bei maximaler Produktivität zu erzielen. Die Kunst-Menschen waren in die Literatur verbannt, wie die Puppenmenschen bei E.T.A. Hoffmann ("Olympia") oder in dem Film "Metropolis" von Fritz Lang. Der Kunst-Mensch, der meist als Alptraum der Menschheit dargestellt wurde, erhielt von dem tschechischen Schriftsteller Karel Capek erst im Jahre 1921 in dem Bühnenstück "R.U.R." (Rossum's Universal Robots) den Namen "Roboter", was eigentlich soviel heißt wie "Arbeit".[8]

Auch inmitten der heutigen Kunstszene, der gegenstandslosen Malerei, werden phantastische Visionen aus dem universellen und anonymen Reich unseres kollektiven Bewußtseins produziert. Die Vereinigung Mensch-Maschine überschreitet dabei die Grenzen zwischen Wirklichem und Möglichem, zwischen Realität und Alptraum, wie dies auf folgender Darstellung bei H.R. Gigers phantastischen Visionen der Fall ist.

Folie Biomechanoid

Das Biomechanoid, aus: Edition Zürich, H.R.GIGER: Gesamtverzeichnis der lieferbaren Bücher:

Wie wird nun aber der Computer, insbesondere der Personal Computer, in den Sprachgebrauch aufgenommen? Das Wort "Computer" hat seinen Ursprung in der englischen Sprache. Es wurde schon bei dem Computerpionier Alan Turing[9] verwendet, allerdings war hier der rechnende Mensch gemeint.

When I compute,

I am computing,

and at the same time,

I am a computer.[10]

Die richtige Übersetzung heute aber wäre "Rechner" oder "elektronischer Rechner".

Auch auf die Maschine bezogene Begriffe wie "Kommunikation", "Information" und "Intelligenz" haben sich verändert, wobei das, was wir früher darunter verstanden, bald nicht mehr stattfinden wird. So sind z.B. Information und Kommunikation positiv besetzte Begriffe, unter denen man früher zwischenmenschliche Prozesse verstanden hat. Mit der Informatisierung vollzieht sich nun ein Bedeutungswechsel und der Begriff der Kommunikation, der sich früher dadurch ausgezeichnet hat, daß zumindest zwei Menschen an einem Ort zusammen waren, wird nun als technischer Prozeß auf technische Netze und Geräte verlagert.

Ein entscheidendes Problem tritt hier zutage, nämlich, daß wir nicht mehr klar das sagen, was wir meinen, und daß wir es den Technikern damit erleichtern, bestimmte Begriffe, die eine ganz andere Geschichte und Bedeutung haben, nun technisch zu besetzen. Im nächsten Schritt wird diese Bedeutung auch technisch vollzogen und irgendwann wird die technische Kommunikation mit der ursprünglichen "Kommunikation" identisch werden. Wir haben dabei gar nicht mitbekommen, was sich hier vollzogen und geändert hat.

Für die nächste Generation, die sich ganz selbverständlich mit Computern befaßt, stellt sich dann dieses Problem wohl in dieser Form überhaupt nicht mehr.

Im Grunde genommen dreht es sich hier terminologisch um die Datenverarbeitung. Es wird ein Bedeutungsüberschuß erzeugt, wenn man von Informations- und Kommunikationstechnik spricht und eigentlich Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik meint. Dadurch aber, daß wir von Informations- und Kommunikationstechnik, von Intelligenz und Partnern sprechen, werden diese Bedeutungen vermenschlicht.

Die Vermenschlichung des Computers findet sich in "technischen Begriffen" wieder, es werden menschliche Begriffe (anthropomorphe Begriffe) für technische Geräte verwandt: der Computer "versteht", er "sieht", er "hört", er "spricht" er "denkt". Sie sind dem menschlichen Kommunikationsverhalten entlehnt und werden heute systematisch in der Umgangssprache, in Werbung und Zeitschriften verwendet.

Die Anthromorphose wird demnach immer spürbarer. Die Aussage: "... daran ist der Rechner schuld!" heißt doch, daß man diesem Gerät menschliche Eigenschaften zuspricht. Veränderungen in der Sprache bewirken psychologische Veränderungen oder Veränderungen in der Wahrnehmung. Der "Computer ist zu einer Metapher geworden, die wörtlich genommen wird"11. Zu Beginn der Entwicklung des Computerzeitalters hätte man es noch als Metapher empfunden, wenn jemand gesagt hätte: "Der Computer denkt gerade darüber nach ...", heute scheint es selbstverständlich geworden zu sein, daß man annimmt, der Computer würde denken.

Anthropomorphe Metaphern werden gerne bei der Einführung neuer Situationen mit neuen Wissensinhalten verwendet.[12] Was ist jedoch eine Metapher? Unter diesem Stichwort findet man in einem linguistischen Wörterbuch folgende Erläuterungen:

"Übertragungen von Bedeutungen/Bezeichnungen aufgrund von Ähnlichkeiten der äußeren Gestalt, deren Funktion und Verwendung durch implizierten Vergleich bzw. Ineinanderfließen der Vorstellungen bestimmt ist; / Bewußte und beabsichtigte Übertragung aufgrund von Sinnähnlichkeit zu ästhetischen Zwecken. Sie ist der Ersatz eines Ausdrucks durch einen anderen, mit dem dieser mindestens ein semantisches Merkmal gemeinsam hat".13

Die Metapher gehört zu den Tropen[14], den Sinn- oder Namensänderungen. Was unterscheidet sie aber von einem Vergleich? Morphologisch gesehen ist sie zunächst einmal das vergleichende Wort, etwa "wie" oder "gleich", das eine Gegenüberstellung verrät. Der Vergleich stellt darüber hinaus oft Handlungen und komplexe Sachverhalte nebeneinander, wobei der Inhalt eines ganzen Satzes mit dem Inhalt eines anderen Satzes verglichen wird. Beide Begriffe, der Vergleich und die Metapher, beinhalten eine Gegenüberstellung und keine Verschmelzung.

Die Begriffsinhalte bleiben im Bewußtsein des Sprechers getrennt und vollkommen intakt. Die Metapher erweitert jedoch im Moment ihrer Schöpfung den polysemen Charakter eines Wortes unter der Voraussetzung ihrer Kumulationsfähigkeit, d. h. der Fähigkeit, einen neuen Sinn erhalten zu können, ohne den alten zu verlieren. Diese semantische Offenheit ist die Grundlage für jeglichen Bedeutungswandel, der u.a. auch die metaphorische Übertragung möglich macht.

In der gängigen Literatur wird darüber berichtet, daß die Metapher sich entsprechend der Häufigkeit ihres Gebrauchs abschwächt und ihre Wirkungselemente (Verwirrung, Sphärenmischung, Bildhaftigkeit) an Kraft nachlassen. So wird eine erste Phase postuliert, in der die Metapher noch bildhaft ist und eine zweite Phase, in der die Bildhaftigkeit schwindet und sie nur noch eine adäquate Benennung darstellt. In dieser zweiten Phase wird in der Umgangssprache als auch in der Fachsprache der EDV sowie bei Produktwerbung und Imagepflege ein tiefgreifender anthropomorphisierender Prozeß eingeleitet, der sich verbal und visuell darstellen läßt.

In einer Werbebroschüre von Olivetti stellt sich der Personal Computer M20 persönlich vor. "Das heißt: über den Bildschirm spricht der Personal Computer M20 mit Ihnen (...): Ich stelle mich Ihnen persönlich vor: M20"[15]

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Der Computer scheint dabei, mit allen menschlichen Eigenschaften versehen, zu einem menschlichen Wesen geworden zu sein.

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Der Mensch wird dabei in überwältigender, ja intimer Weise angesprochen, wie er es sonst noch nie erlebt hat.

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Beeinflußt wird seine Persönlichkeit, Identität, ja sogar die Sexualität. Es werden seine Gefühle in Comic-Büchern angesprochen und sexueller Lustgewinn erzeugt.[16]

Der Computer ist zum Partner geworden, man spricht von "Mikro-Kontakten" und konstatiert: "Auf die inneren Werte kommt es an". Der Kleinste zum Preis von ... wird als Baby gezeichnet, der Erwachsene zum Preis von ... als seriöser Herr, und der (AT)traktive zum Preis von ... mit Fliege und Schnurrbart dargestellt. Der Computer wird mit einer Geliebten auf einer Parkbank bei Mondschein gezeichnet oder gar in einem Comic-Buch die "Ersteingabe am Computer" geschmacklos mit der Defloration einer Jungfrau verglichen.[17].

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Der Computer als erotisches Liebes- oder Lustobjekt ist in Büchern und Fachzeitschriften ebenso zu finden wie in der Werbung mehr oder weniger namhafter Firmen.[18]

Compaq formuliert in einer Werbebroschüre so:

"Computer in einem Unternehmen zu integrieren,

heißt: 'Partner-Suche',

heißt 'Partner-Wahl',

heißt: 'Überlegen. Von Anfang an'"

Die CPT Text-Computer GmbH fordert in der Computerzeitschrift MICRO (11/85) ihre Kunden auf: "Halten Sie ihrem PC ruhig weiter die Treue!" und in CHIP (März 1988) kündigt PROELECTRONIC an: "... wir wollen Deutschlands beliebtester Computer-Partner werden!"

Der Computer wird nicht nur als menschliches Wesen dargestellt, mit Gesicht, Händen und Füßen, sondern auch als fressendes, freundliches oder fragendes Ungeheuer.

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DBase III Plus, das bekannteste Datenbankensystem, wird als "Der Meister aller Klassen" beschrieben (MICRO 11/86) und QUME kürt den PC zum "ACTION-Macher" (CHIP Juni 1986).

Nixdorf dagegen wirbt scheinbar sachlich für die Telekommunikation mit einem freundlichem, telefonierenden und zugleich tippenden Computer:[19

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Selbst in den VDI-Nachrichten, dem zentralen Organ der deutschen Inge-nieure, ist der Computer/Roboter fast nicht vom Menschen zu unterscheiden.[20]

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Er wird nicht nur als "ideal und schön", mit Melone und Überzieher abgebildet[21],

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es bleibt auch die soziale Hierarchie - vom Bauern bis zum König - in der EDV-Welt gewahrt.[22]

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Man kann aus den Werbespots der Computerindustrie menschliche Geschichten zusammensetzen, wie:

"Wohin geht der Personalcomputer?" fragt Philips "Mit freundlicher Genehmigung vom IBM-AT" (PC-Welt 9/86). Zum "Wunderkind" (EGA-Wonder-plus Karte), war die Antwort und "Der Spross aus gutem Hause" (HP-Vectra, Micro 4/86), "Ein schneller Texaner" (Compaq, Micro 6/85), war als "Ein Finne mit Profil" (Micro 6/85) "Willkommen in einer guten Familie" (ITTxtra, Micro 6/85)

oder:

"'Verflixte Multifunktionalität' stöhnt der Computer!" (Micro 11/85), der "Chef d'Orchestre" (Amiga, DataWelt 4/87) - wegen des "Musikvergnügen(s) aus der Zentraleinheit" (Micro 11/85) - "Die Elite macht sich breit" (Chip 6/86).

oder:

"Daten und Text arbeiten Hand in Hand" (Konica U-BIX, Micro 3/86), aber "Jetzt lernt der PC sprechen".

Der Mensch wird durch Darstellungen verunsichert, aus denen nicht mehr erkenntlich ist, ob menschliche oder elektronische Eigenschaften den Vorrang haben. Homo Sapiens als Computer oder der Computer als Mensch?[23]

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Wird der vernetzte Mensch gar so aussehen?[24]

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Auch wird nicht mehr nach den Fähigkeiten des Menschen gefragt, danach, ob er mit dem Computer ungehen kann, sondern der Personal Computer ist "Talentiert im Umgang mit Menschen" (Phillips PC)[25].

Bleibt es da der menschlichen Gattung vielleicht nur noch übrig, mit IBM[26] nach dem Computerschutzengel zu rufen, ...

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... wenn die Seele den Computer verläßt?[27]

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Sind solche Darstellungen tatsächlich für die Kommunikation über den Computer repräsentativ? Spiegeln sie das Verhältnis des Menschen zum Computer wider? Solche Fragestellungen wurden in einer quantitativen Studie retrospektiv über 10 Jahre hinweg untersucht. Es wurden deutsche Computer-Fachzeitschriften der Jahre 1978 bis 1988 mit insgesamt 28.950 Seiten auf verbalisierte und bildlich dargestellte Anthropomorphismen hin analysiert.[28] 1840 vermenschlichte Darstellungen des Computers konnten dabei erfaßt werden.

Bei der anschließenden Auswertung der registrierten Belege ergab sich, daß 1978 durchschnittlich über 12 Anthropomorphismen pro 100 Zeitschriftenseiten zu verzeichnen waren, diese Anzahl jedoch bis 1988 kontinuierlich bis auf sechs Anthropomorphismen pro 100 Seiten abnahm. Ähnliche Tendenzen zeigten sich bei der auf Fachtexte reduzierten Betrachtung (in Überschriften und hervorgehobenem Text und den dazugehörigen Fotos und Graphiken). Auch hier fiel in diesem Zeitverlauf die durchschnittliche Anzahl der Anthropomorphismen um die Hälfte ab. Genau entgegengesetzt verhält sich die Anzahl der auftretenden Anthropomorphismen in der Werbung.

Folie 7

Folie Schaubild Tabelle der Metaphern

Zu Pt. 2 Der Computer als Kommunikationsmedium

Nicht nur als Kommunikationsobjekt verändert der Computer Sprache und Verhalten der Menschen, wesentlich deutlicher wird dies, wenn der Computer als Medium zur Übertragung von Informationen zwischen den Interaktionspartnern verwendet wird.

Folie 8

Hier treten beim teleologischen und strategischen Handeln Effekte auf, die sich aus der situativen Gegebenheit entwickeln, also aus der realen Situation, in der Informationen und Sprache ein- und ausgegeben werden. Der Agent wird gezwungen, sein Handeln den Hard- und Softwarebedingungen anzupassen.

Formalisierungszwänge, denen die Eingabe von Daten und Informationen, von Fragen, Befehlen und Texten unterliegt, verändert Arbeitsergebnisse, etwa den Schreibstil, auch die kognitive Informationsaufnahme via Bildschirm hat andere Lernprozesse zur Folge als eine persönliche Informationsvermittlung.[29]

Langfristig können Sprach- und Verhaltensänderungen auftreten. So läßt sich oft belegen, daß Computerfreaks Elemente ihrer kurzen, aus Befehlen bestehenden Programmiersprache auch in der Umgangssprache verwenden. Aus dem Zusammenspiel von Formalisierungszwängen zum einen, den Einflüssen des sozialen Kontextes, innerhalb dessen der Anwender agiert, zum anderen, resultiert ein Verstärkungseffekt, der extrem zum Entstehen eines subgruppenspezifischen Jargons, der Hackerese, führen kann.

Einige Beispiele hierzu auf Folie

Folie Hackerrese 1 und

Folie Hackerrese 2

zu Pt. 3: Mensch-Computer als kommunikative Handlungseinheit

Betrachtet man die Mensch-Maschine-Beziehung als komplexere Kommunikationssituation, so möchte ich hier zwischen der reinen Kommunikation Mensch-Maschine und einem kommunikativen Handeln Mensch-Maschine unterscheiden.

Folie Kommunikatives Handeln

Die Kommunikation Mensch-Maschine basiert auf der Handlungsebene des teleologischen Handelns, das einerseits, wo es nicht als sozial bezeichnet werden darf, als ein rein auf die Maschine bezogenes instrumentelles Handeln angesehen werden kann. Andererseits kann es als soziales strategisches Handeln in Beziehung zur Maschine betrachtet werden, insofern es auf der Basis der erfolgsorientierten Kalküle agiert. Insgesamt wird dieses instrumentell-strategische Handeln durch Zweck- und Erfolgsorientierung begründet, durch egozentrische Erfolgskalküle und die Koordinierung individueller Handlungspläne. Dies soll hier als Rationalitäts-Prinzip bezeichnet werden, das die Zweck-Mittel-Relationen beinhaltet.

Der Geltungsanspruch, den der Mensch an die Maschine stellt, beruht hier auf allgemeiner Verständlichkeit sowie der Wahrheit, die auf die objektive Richtigkeit der Daten zurückführbar ist. Als Sprachelemente werden Befehle, Lemmata, Assoziationen und Daten verwendet, die den Handlungsbezug herstellen. Hieraus resultieren kognitive Erfahrungen sowie antizipierte Erwartungen, die sich wiederum auf die Kommunikationssituation auswirken können.

Das kommunikative Handeln zwischen Mensch und Maschine basiert nun auf der Ebene des normenregulierten Handelns, das wiederum durch kognitive Erfahrungen und antizipierte Erwartungen determiniert wird. Einerseits bezieht sich diese Handlungsebene auf Maschine und Umwelt, andererseits, beim dramaturgischen Handeln, auf den Menschen als Handelnden selbst. In beiden Fällen darf die Handlungssituation als sozial charakterisiert werden, da Werte, Normen und das antizipierte Einverständnis der zugehörigen sozialen Gruppe als gesellschaftliche Begründung dienen. Zudem bestimmen Regeln und Syntax von Programmiersprache bzw. die Struktur von AnwenderMenüs, sowie die Restriktionen die durch die Konfiguration der Hardware gegeben sind (Geschwindigkeit, begrenzte Speicher), die Erwartungshaltung und somit das kommunikative Handeln ansich.

Erstmalig wird hier nun als Rationalitäts-Prinzip der reflexive Modus der Interpretation von Verkündigung und Handlungssituation mit einbezogen. Beide Agierenden, der Mensch und der Computer, sind in den sozialen Handlungszusammenhang integriert, nehmen Bezug auf ihr erfahrenes und gespeichertes Wissen, ihre subjektiven Interpretationen und ihre normativen Orientierungen, beanspruchen aber innerhalb ihrer realen Welten und visuellen Scheinwelten die Geltungsansprüche der Verständlichkeit der sprachlichen Ausdrücke, der objektiven Wahrheit der geäußerten Behauptungen, der subjektiven Wahrhaftigkeit der zum Ausdruck gebrachten Intentionen, sowie der Richtigkeit der vollzogenen Sprachhandlungen mit denen ihr zugrunde liegenden Normen.

Es sollte also hier gezeigt werden, daß die kommunikative Handlungssituation Mensch-Maschine in ein überaus komplexes Umfeld eingebettet ist. Wenn der Ausdruck "Denkzeug" (Haefner 1987) schon darauf hindeutet, daß der Umgang mit dem Personal Computer, eine zwischenmenschliche soziale Situation zu evozieren versucht, so scheint es in den obigen Ausführungen hoffentlich anschaulich gelungen zu sein, nachzuweisen, daß schon beim einfachen Sprechakt Handlungselemente der zwischenmenschlichen Kommunikation aktiviert werden, die das Verhalten des Menschen im nichtrationalen Bereich dahingehend beeinflussen, daß er sich in eine zwischenmenschliche kommunikative Handlungssituation versetzt glaubt.

Schlußbetrachtung Resume

Die Einführung der Mikroelektronik in alle Lebensbereiche hatte nun zur Folge, daß "Individuen erstmals in die Lage versetzt werden können, auch Handlungen interaktiver Art ohne Einbezug anderer menschlicher Personen zu vollziehen"[30]. Der Computer weist Fähigkeiten auf, dank derer der Mensch ihn eher als Interaktionspartner denn als bloßes Werkzeug sieht. Ähnliche Fähigkeiten wie beim menschlichen Gehirn, Speicherung, Rezeption und Rekombination sowie Transformation von Informationen zeichnen ihn aus, auch kann er lernfähig sein und ist gelegentlich für manche Überraschung verantwortlich. Geser sieht hier neben der sozialen Evolution eine Koevolution, die sich zwischen humanen und elektronischen Interaktionspartnern vollzieht.[31] Legt man einen objektivistischen, behavioristischen Verhaltensbegriff zugrunde, muß man feststellen, daß aufgrund der menschlichen Perzeption, zwischen Mensch und Computer rückgekoppelte Interaktionssequenzen stattfinden, die sich von zwischenmenschlichen Interaktionssequenzen nicht wesentlich unterscheiden. Aus phänomenologischer Sicht werdem dem Computer anthropomorphe und soziomorphe Attribute zugesprochen, die Grundlage emotionaler Bindungen zum Computer sein können. Zum erstenmal in der technischen Evolution werden aufgrund dieser Tatsache zu einem Arbeits- oder gar Denkzeug spezifische Sozialbeziehungen hergestellt, die die Einseitigkeit des früheren formalen Handelns mit technischem Gerät ablösen und kommunikatives Handeln hervorrufen. Früheren Tätigkeiten in beruflichen Sozialgemeinschaften vergleichbar, hat der agierende Mensch nun ein menschenähnliches Substitut gefunden, das die vormals nicht zustande gekommenen Interaktionssequenzen im Sozialverhalten situativ ausgleichen kann, das jedoch nur in der subjektiven Betrachtung mit diesen Merkmalen ausgestattet ist, das aber weder Denken kann, noch mit einem Bewußtsein ausgestattet ist.