"Mensch Computer!"

von

Helmuth Sagawe

Der Mensch und die Anthropomorphose des Computers

Teil 2:

Diese menschliche Simulation ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt einer Entwicklung, die in den letzten Jahren erst begonnen hat. Auf den Bildschirmen wird eine sichtbare Welt kreiert, die sich von der real existierenden Welt kaum noch unterscheiden läßt. Großen Nutzen haben solche Simulationen, wenn sie sich auf naturwissenschaftliche und technische Prozesse beschränken, wenn sie z.B. die Entstehung von Chromosomen aufzeigen, wenn Flugschüler weniger gefährlich leben und dadurch Notsituationen mehrmals geprobt werden können; weniger sinnvoll sind diese Simulationen, wenn damit die Grenzen zwischen der realen und einer künstlichen Welt verschleiert werden.

Ist aber eine Unabhängigkeit und Abgrenzung von den heutigen intelligenten Maschinen überhaupt möglich? Wenn es den Erwachsenen schon schwerfällt, wie können Jugendliche und Kinder dies überhaupt erreichen? Bei unseren Kindern sind bereits erste Schäden erkennbar; sind sie das Opfer des Elektronik-Zeitalters geworden? Zeichnet sich in den Kinderstuben etwa eine "Revolte im Stillen"18 ab, wo eine Realitätsverweigerung mit den Mitteln der kalten Logik praktiziert wird, im Gegensatz zu früher, wo die rebellischen Söhne und Töchter Ideale und Gefühle propagierten?

Der Computer ist ein für sich sprechendes Symbol gegen die "Müsliart" der Eltern, die ihren moralischen Anspruch in der Gesellschaft aus ihrem Aktivismus in der Ökologie und der Friedensbewegung ableiten. Klare Regeln beim Programmieren werden gegen Erörterungen von "verpsychologisierten Problemen" gesetzt. Für die Computerkids ist die Alternativbewegung längst zur Massenkultur, zur Opferhaltung geworden, gegen die sie sich individuell abgrenzen. "Der Computer fungiert dabei als ein Medium, mit dem sie nicht nur gegen die Revoltierenden von einst, sondern auch gegen die kulturellen "mainstreams" der Technikskepsis revoltieren, sie fühlen sich dabei als Avantgarde, weil sie etwas verstehen, vor dem alle anderen Angst haben."[19]

Worin besteht aber der mythologische Glanz des Computers und die Faszination, die er auf Jugendliche ausübt? Die klassischen Erklärungen wie: 'Ein Computer antwortet immer und hat keine Stimmungen und Launen, er ist außerdem ein verläßlicher Partner' sind bekannt. Auch hat er etwas, womit die Kinder in unserer modernen Welt aufgewachsen sind, nämlich einen Bildschirm; außerdem schafft "das Programmieren [...] eine Sphäre klarer, verbindlicher Logik, in der man sich vor der widersprüchlichen problemgeladenen Welt verstecken kann"20. Neu hingegen scheint zu sein, daß man sich als Computerkid eine Zukunft aneignet, vor der die Eltern in Zukunftsängsten und Zivilisationsanklagen resigniert haben. Das durch diverse Emanzipationsbewegungen pädagogisch-psychologisch durchdrungene Vokabular fordert ständige Kommunikation und Offenbarung der Kinder. Zwar sind die alten auf purer Macht begründeten Erziehungsstile weitgehend abgebaut, jedoch hat die Pädagogisierung der Erziehung einen schier unerträglichen "Vertrauenszwang" geschaffen, einen moralischen Zwang zur Offenbarung des Innenlebens der Kinder. Da die sonst als allwissend geltenden Erwachsenen nur selten Zugang zur EDV erhalten, verlieren sie nun an Macht und Autorität in der den Kindern eigenen Scheinwelt.

Der Computer mit seiner besonderen Sprache ist das ideale Medium für eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich nur am Objekt orientiert und nichts mit dem Code und den Kürzeln der von Cliquen benutzten Antisprache der Erwachsenenwelt zu tun haben will. Es umgibt sie eine Sphäre, in der man unabhängig vom ständig lauernden Verständnis der Erwachsenenwelt seine Träume ausleben kann, und ungestört vom "Zwang zum Sozialen" den Ritualen und Stilformen der Subkulturen New Wavers, Punks, Popper und Hardrock-Liebhaber entgehen kann. Diese Anti-Subkultur-Subkultur[21] ist eine Domäne der Schüchternen und garantiert die "Asozialität" der Einsamkeit.

Der Computer als Ebenbild des Menschen?

Nicht nur für die Computerkinder ist die intelligente Maschine etwas Neues und Aufregendes, auch die Erwachsenen fürchten sie als etwas Machtvolles und gelegentlich Bedrohliches, das es zu beherrschen gilt. Der Computer wird als selbständig handelnder Agent dem Menschen als Partner zur Seite gestellt, der einerseits bereitwillig hilft, andererseits aber auch manchmal nicht das tut, was man von ihm erwartet und daher "ausgetrickst" sein will. Wo kommt dieses metaphorische Ebenbild des Menschen her? Sind es die Systementwickler, die dem Benutzer dieses Bild an zahlreichen Stellen - bei der Konzeption und Realisierung der Systeme - nahelegen?

Bereits seit Jahrtausenden träumen die Menschen von automatischen und ihnen ähnlich sehenden Helfern und Künstlern, den Androiden. Von den alten Griechen, von Homer stammen die ältesten Zeugnisse über den Traum vom künstlichen Menschen. Er beschrieb in seiner Ilias die goldenen Mägde des Gottes Hephaistos, die mit Verstand, Stimme und großem handwerklichem Geschick begabt waren. Die Androiden waren etwas Göttliches. Selbst Aristoteles entwarf in seinem Werk "Die Politik" die Vision einer von Automaten bevölkerten Welt, die für den Menschen arbeiteten. Weiterhin lassen sich in Beschreibungen aus dem antiken Griechenland, aus Arabien, China und dem christlichen Europa immer wieder Erzählungen von beweglichen Statuen, wunderlichen Puppen, oft mit sprechenden Köpfen, finden. Meist vermischen sich aber in den Beschreibungen Traum und Wirklichkeit. So soll bereits im 13. Jahrhundert Albert Magnus einen Automaten in Menschengestalt gebaut haben, der den Menschen die Tür öffnete und sie begrüßte.

Die Erbauer von Androiden ernteten keineswegs nur die Bewunderung ihrer Zeitgenossen. Oft sahen sie sich durch die Nachahmung der Natur und ihre frevlerische Konkurrenz zum Schöpfergott dem Vorwurf der Gotteslästerung ausgesetzt. Erst im 17. Jahrhundert ermöglichte die Aufklärung den Erfindern neue technische Ideen. Durch das Feder-Uhrwerk als Antrieb und die Stiftwalzen zur Steuerung waren bessere Bedingungen für die Androidenbauer geschaffen, die sich bis dahin mit Gewichten und Wasser als Antriebskräften begnügen mußten. Ihre Hochzeit erlebten die beweglichen Puppen im 18. Jahrhundert, als mit den Mitteln der Mechanik die schönsten Automaten entworfen wurden, besonders von den drei Schweizer Uhrmachern Jaquet Droz, seinem Sohn Louis und Jean-Frédéric Leschot aus Neuchâtel. Bis in die kleinsten Kleinigkeiten imitieren ihre Puppen mit Zahnrädern, Stiftwalzen und Hebeln die menschlichen Gesten. Der Franzose Jacques de Vaucanson war der erste, der seine Erfahrungen vom Bau der Unterhaltungs-Androiden auch für Maschinen in der Arbeitswelt umsetzte: so erfand er den mechanischen Seidenwebapparat und wurde dadurch zum königlichen Inspektor der französischen Seidenmanufaktur ernannt.

Die Technik des 19. Jahrhunderts hatte für diese Spielereien mit menschenähnlichen Automaten wenig übrig. Alle kreativen Kräfte wurden bei der einsetzenden Industrialisierung dafür gebraucht, Maschinen zu bauen, die die menschliche Arbeitskraft potenzierten, um maximalen Gewinn bei maximaler Produktivität zu erzeugen. Die Kunst-Menschen waren in die Literatur verbannt, wie die Puppenmenschen bei E.T.A. Hoffmann ("Olympia") oder in dem Film "Metropolis" von Fritz Lang. Der Kunst-Mensch, der meist als Alptraum der Menschheit dargestellt wurde, erhielt von dem tschechischen Schriftsteller Karel Capec erst im Jahre 1921 in dem Bühnenstück "R.U.R." den Namen "Roboter", was eigentlich soviel heißt wie "Arbeit".

Das Wort "Computer" hat hingegen seinen Ursprung in der englischen Sprache. Es wurde schon bei dem Computerpionier Alan Turing, einem Engländer, verwendet,[22] jedoch war hier der rechnende Mensch gemeint.

When I compute,
I am computing,
and at the same time,
I am a computer.[23]

Die richtige Übersetzung heute aber wäre "Rechner" oder "elektronischer Rechner" und zwar im sächlichen Gebrauch.

Auch Begriffe wie "Kommunikation", "Information" und "Intelligenz" haben sich verändert, wobei das, was wir früher darunter verstanden, bald nicht mehr stattfinden wird.

So sind z.B. Information und Kommunikation positiv besetzte Begriffe, unter denen man früher zwischenmenschliche Prozesse verstanden hat. Mit der Informatisierung vollzieht sich nun ein Bedeutungswechsel und der Begriff der Kommunikation, der sich früher dadurch ausgezeichnet hat, daß zumindest zwei Menschen an einem Ort zusammen waren, wird nun als technischer Prozeß auf technische Netze und Geräte verlagert.

Ein entscheidendes Problem tritt hier zutage, nämlich, daß wir nicht mehr klar das sagen, was wir meinen, und daß wir es den Technikern damit erleichtern, bestimmte Begriffe, die eine ganz andere Geschichte und Bedeutung haben, nun technisch zu besetzen. Im nächsten Schritt wird diese Bedeutung auch technisch vollzogen und irgendwann wird die technische Kommunikation mit der ursprünglichen "Kommunikation" identisch werden. Wir haben dabei gar nicht mitbekommen, was sich hier vollzogen und geändert hat. Für die nächste Generation, die sich selbverständlch mit Computern befaßt, stellt sich dann dieses Problem wohl in dieser Form überhaupt nicht mehr.

Im Grunde genommen dreht es sich hier terminologisch um die Datenverarbeitung. Es wird ein Bedeutungsüberschuß erzeugt, wenn man von Informations- und Kommunikationstechnik spricht und eigentlich von Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik meint. Dadurch aber, daß wir von Informations- und Kommunikationstechnik, von Intelligenz und Partnern sprechen, werden diese Bedeutungen vermenschlicht.

Die Vermenschlichung des Computers findet sich in den technischen Begriffen wieder, es werden menschliche Begriffe (anthropomorphe Begriffe) für technische Geräte verwandt: der Computer versteht, er sieht, er hört, er spricht. Sie sind aus dem menschlichen Kommunikationsverhalten entlehnt und werden heute systematisch in der Umgangssprache, in Werbung und Zeitschriften verwendet.

Die Anthromorphose wird demnach immer spürbarer. Die Aussage: "... daran ist der Rechner schuld!" heißt doch, daß man diesem Gerät menschliche Eigenschaften zuspricht. Veränderungen in der Sprache bewirken psychologische Veränderungen oder Veränderungen in der Wahrnehmung. Der "Computer ist zu einer Metapher geworden, die wörtlich genommen wird"24. Zu Beginn der Entwicklung des Computerzeitalters hätte man es noch als Metapher empfunden, wenn jemand gesagt hätte: "Der Computer denkt gerade darüber nach ...", heute scheint es selbstverständlich geworden zu sein, daß man annimmt, der Computer würde denken.

Anthropomorphe Metaphern

Anthropomorphe Metaphern werden gerne bei der Einführung neuer Situationen mit neuen Wissensinhalten verwendet.[25] Was ist jedoch eine Metapher? Unter diesem Stichwort findet man in einem linguistischen Wörterbuch folgende Erläuterungen:

"Übertragungen von Bedeutungen/Bezeichnungen aufgrund von Ähnlichkeiten der äußeren Gestalt, deren Funktion und Verwendung durch implizierten Vergleich bzw. Ineinanderfließen der Vorstellungen bestimmt ist; bewußte und beabsichtigte Übertragung aufgrund von Sinnähnlichkeit zu ästhetischen Zwecken. Sie ist der Ersatz eines Ausdrucks durch einen anderen, mit dem dieser mindestens ein semantisches Merkmal gemeinsam hat"[26]

Die Metapher gehört zu den Tropen[27], den Sinn- oder Namensänderungen. Was unterscheidet sie aber von einem Vergleich? Morphologisch gesehen ist sie zunächst einmal das vergleichende Wort, etwa "wie" oder "gleich", das eine Gegenüberstellung verrät. Der Vergleich stellt darüber hinaus oft Handlungen und komplexe Sachverhalte nebeneinander, wobei der Inhalt eines ganzen Satzes mit dem Inhalt eines anderen Satzes verglichen wird. Beide Begriffe, der Vergleich und die Metapher, beinhalten eine Gegenüberstellung und keine Verschmelzung. Die Begriffsinhalte bleiben im Bewußtsein des Sprechers getrennt und vollkommen intakt. Die Metapher erweitert jedoch im Moment ihrer Schöpfung den polysemen Charakter eines Wortes unter der Voraussetzung ihrer Kumulationsfähigkeit, d. h. der Fähigkeit, einen neuen Sinn erhalten zu können, ohne den alten zu verlieren. Diese semantische Offenheit ist die Grundlage für jeglichen Bedeutungswandel, der u.a. auch die metaphorische Übertragung möglich macht. Auch liegt der Eingang der Metapher in die Sprache in der Tatsache begründet, daß Wörter bzw. Begriffe schon bei ihrem Normalgebrauch in spezialisierter Bedeutung und unter Veränderung ihrer sekundären Inhaltselemente verwendet werden. Bei der Metaphernbildung spielt die Semübereinstimmung zwischen dem eigentlichen und dem uneigentlichen Begriff eine Rolle. Man spricht von einer Überlagerung zweier Seme, von denen jeweils nur ein Teil in eine metonymische Beziehung zueinander gesetzt wird und somit eine subjektive Synonymie hergestellt werden kann.[28] Dieser Teil ist das zwischen dem eigentlichen und dem metaphorisch gebrauchten Begriff bestehende gemeinsame Sem.

Nachdem eine Metapher auf der Ebene der parole[29] geschaffen wurde, ist es ungewiß, ob sie auch in die langue[30] eingeht. Es kann ein Nachahmungstrieb wirksam werden, wobei der Sprecher die Metapher teils um ihrer selbst willen gebraucht, teils auch, weil er sich davon ein gewisses Sozialprestige oder den Anstrich des Modischen und Aktuellen erhofft.[31] Auch spielt der Affektgehalt bei der Entstehung der Metapher und ihrer Verbreitung eine Rolle: je affektbetonter die Metapher ist, desto größer ist die Chance ihrer Verbreitung. In der gängigen Literatur wird darüber berichtet, daß die Metapher sich entsprechend der Häufigkeit ihres Gebrauchs abschwächt und ihre Wirkungselemente (Verwirrung, Sphärenmischung, Bildhaftigkeit) an Kraft nachlassen. So wird eine erste Phase postuliert, in der die Metapher noch bildhaft ist und eine zweite Phase, in der die Bildhaftigkeit schwindet und sie nur noch eine adäquate Benennung darstellt. In dieser zweiten Phase wird in der Umgangssprache als auch in der Fachsprache der EDV, sowie bei der Produktwerbung und Imagepflege, ein tiefgreifender anthropomorphistischer Prozeß eingeleitet.

Der Computer scheint dabei zu einem Wesen geworden zu sein, das "Computerwitwen" erzeugt und manchen EDV-Benutzer "süchtig" macht. Der Mensch wird in überwältigender, ja intimer Weise angesprochen, wie er es sonst fast nie erlebt hat. Beeinflußt wird die Persönlichkeit, Identität, ja sogar die Sexualität. Solche Beziehungen finden ihren Ausdruck besonders in der Werbung für Hard- und Software sowie in der Fachliteratur. So wurde z.B. von der Dr. Neuhaus-Gruppe Hamburg mit einer aufreizenden Animierdame für ein intelligentes Modem geworben.

Bild : Computeranaschluß

Der Computer ist zum Partner geworden, man spricht von "Mikro-Kontakten" und konstatiert: "Auf die inneren Werte kommt es an". Der Kleinste zum Preis von ... wird als Baby gezeichnet, der Erwachsene zum Preis von ... als seriöser Herr, und der (AT)traktive zum Preis von ... mit Fliege und Schnurrbart dargestellt. Der Computer wird mit einer Geliebten auf einer Parkbank bei Mondschein gezeichnet oder gar in einem Comic-Buch die "Ersteingabe am Computer" mit der Defloration einer Jungfrau verglichen.[32].

Bild: Ersteingabe

Compaq formuliert in einer Werbebroschüre so:

"Computer in einem Unternehmen zu integrieren,

heißt: 'Partner-Suche',

heißt 'Partner-Wahl',

heißt: 'Überlegen. Von Anfang an'"

Die CPT Text-Computer GmbH fordert in der Computerzeitschrift MICRO (11/85) ihre Kunden auf: "Halten Sie ihrem PC ruhig weiter die Treue!" und in CHIP (März 1988) kündigte PROELECTRONIC an: "... wir wollen Deutschlands beliebtester Computer-Partner werden!"

Der Computer wird nicht nur als menschliches Wesen dargestellt, mit Gesicht, Händen und Füßen, sondern auch als fressendes, freundliches oder fragendes Ungeheuer.

DBase III Plus, ein Datenbankensystem, wird als "Der Meister aller Klassen" beschrieben (MICRO 11/86) und QUME kürt den PC zum "ACTION-Macher" (CHIP Juni 1986).

Man kann aus den Werbespots der Computerindustrie menschliche Geschichten zusammensetzen, wie:

"Wohin geht der Personalcomputer?" fragt Philips "Mit freundlicher Genehmigung vom IBM-AT" (PC-Welt 9/86). Zum "Wunderkind" (EGA-Wonder-plus Karte), war die Antwort und "Der Spross aus gutem Hause" (HP-Vectra, Micro 4/86), "Ein schneller Texaner" (Compaq, Micro 6/85) war als "Ein Finne mit Profil" (Micro 6/85) "Willkommen in einer guten Familie" (ITTxtra, Micro 6/85)

oder:

"'Verflixte Multifunktionalität' stöhnt der Computer!" (Micro 11/85), der "Chef d'Orchestre" (Amiga, DataWelt 4/87) wegen des "Musikvergnügen(s) aus der Zentraleinheit" (Micro 11/85)- aber dennoch: "Die Elite macht sich breit" (Chip 6/86).

oder:

"Mein Name ist PENMAN" (Micro 4/86) meinte "Der Micro als Unternehmer" (Micro 10/86) und kaufte sich einen neuen "Computeranzug" (Micro 10/86).

oder:

"Daten und Text arbeiten Hand in Hand" (Konica U-BIX, Micro 3/86), aber "Jetzt lernt der PC sprechen".

oder:

Wenn "Sie als Meister vom Himmel fallen" (Chip 6/86) und "Die Ideen, die ihren PC beflügeln" (Chip 6/86) zu "Ansichten einer Datenbank" (Micro 4/86) werden, ist "Irrtum ausgeschlossen" (SKC-Diskettenwerbung).

Eine weitere Entwicklung hat sich in Hannover auf der größten Computermesse, der CeBIT'88 gezeigt. Der Computer wird nicht mehr "nur" als Partner, sondern inzwischen als Beschützer des Menschen dargestellt.

Bild CeBIT'88).

Sind diese Beispiele tatsächlich für die gesamte Berichterstattung repräsentativ? Spiegeln sie die allgemeine Einstellung des Menschen zum Computer wider? Solche Fragestellungen wurden in einer quantitativen Studie retrospektiv über 10 Jahre hinweg untersucht. Es wurden deutsche Computer-Fachzeitschriften der Jahre 1978 bis 1988 mit insgesamt 28.950 Seiten auf verbalisierte und bildlich dargestellte Anthropomorphismen hin analysiert.[33] 1840 vermenschlichte Darstellungen des Computers konnten dabei erfaßt werden.

Bei der anschließenden Auswertung der registrierten Belege ergab sich, daß 1978 durchschnittlich über 12 Anthropomorphismen pro 100 Zeitschriftenseiten zu verzeichnen waren, diese Anzahl jedoch bis 1988 kontinuierlich bis auf 6 Anthropomorphismen pro 100 Seiten abnahm. Ähnliche Tendenzen zeigten sich bei der auf Fachtexte reduzierten Betrachtung (in Überschriften und hervorgehobenem Text und den dazugehörigen Fotos und Graphiken). Auch hier fiel in diesem Zeitverlauf die durchschnittliche Anzahl der Anthropomorphismen um die Hälfte ab. Genau entgegengesetzt verhält sich die Anzahl der auftretenden Anthropomorphismen in der Werbung. Unterschiedliche Anteile von Text und Werbung in einer Zeitschrift wurden dabei durch einen Multiplikator ausgeglichen.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß in der Zeit von 1978, als die ersten Computer in der Wirtschaft, den Behörden und der Ausbildung noch relativ selten zu finden waren, ihre Fähigkeiten von der Allgemeinheit überschätzt wurden. Solche Überbewertungen erzeugten Ängste, wie sie bei der Einführung jeder neuen Technologie - ob berechtigt oder nicht - immer zu finden sind. In den folgenden Jahren, und mit zunehmender Ausweitung der Mikro-Elektronik, erhöhte sich auch nach und nach der Kenntnisstand darüber, was ein Computer tatsächlich alles kann. Es setzte eine Entmystifizierung dieser Geräte mit der Erkenntnis ein, daß ein Computer - trotz seiner enormen Leistungen - wenn er richtig programmiert wurde, doch immer noch das tut, was der Mensch von ihm verlangt. Er ist also nur eine Art Organersatz des Menschen. Die Werbemanager reagierten jedoch entgegen dieser rationalen Einstellung. Sie vertreten immer mehr die Auffassung, daß die potentiellen Käufer wohl wenig Ahnung vom Metier der EDV haben, und man ihnen durch den Kauf eines Computers Hoffnung auf einen Partner mit menschlichen Wesenszügen machen könne. Vielleicht wollen sie aber auch nur den Käufern die Angst vor den Maschinen nehmen, die ihnen wegen ihrer menschlichen Fähigkeiten immer ähnlicher werden?

Aufgrund dieser Ergebnisse der Zeitungsanalysen kann das so oft postulierte Unbehagen jedoch etwas abgebaut werden. War man noch vor kurzem der Meinung, die Menschen müßten wieder einmal umdenken und sich einen neuen Standort suchen, nachdem sie durch Kopernikus erfahren mußten, daß die Erde und damit der Mensch nicht im Mittelpunkt der Welt stehen, durch Darwin, daß der Mensch nicht durch einen besonderen Schöpfungsakt von Gott geschaffen wurde, sondern nur Endglied eines natürlichen Evolutionsprozesses ist, durch Freud, daß der Mensch nicht völlig Herr seiner selbst ist, sondern maßgeblich von unbewußten Trieben und Kräften gesteuert wird, so sollten wir nun keine Angst mehr davor zu haben, daß der Mensch nicht mehr alleine die Fähigkeit zur Intelligenz besitzt, und womöglich seine Intelligenz sogar von den selbst erschaffenen Maschinen übertroffen werden könnte. Mit dem Eindringen der Computer in alle Lebensbereiche des Menschen erhöht sich zwangsläufig das Bildungsniveau der Beteiligten auf diesem Gebiet, und diese Tatsache muß zu einer Versachlichung im Umgang mit dem Computer führen. Die Untersuchung zeigte, daß der Computer wieder als Maschine, zwar als eine intelligente Maschine, aber nicht als menschlicher Partner angesehen wird. Nur wenn der Computer als menschlicher Partner oder gar als Übermensch mystifiziert wird, kann er zur psychischen Gefahr für ein "gesundes menschliches Sozialverhalten" werden. Auch die Werbung sollte zur Versachlichung im Umgang mit dem Computer beitragen und nicht aufgrund einer mangelnden Kontaktfähigkeit der Menschen in unserer Gesellschaft diese Situation dahingehend ausnutzen, dem Verbraucher falsche Illussionen und Hoffnungen auf einen "kontaktfreudigen Partner" zu machen.